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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Wagenfenster eine Flasche Texas Driver entgegen. Würmer krümmten sich durch das Grinsen. Käfer krabbelten durch die Reste seiner Haare.
    »Ich glaube, du brauchst eine Stärkung.«
    Don schrie. Der Schrei kam wie eine Gewehrkugel aus seinem Mund. Er warf sich herum und sprang wie eine Witzblatt-figur durch den Schnee. Er schrie wieder, als der V-8-Motor des Wagens aufheulte; er blickte über die Schulter zurück und sah, daß Christine zwischen den Zapfsäulen stand, Arnies Christine, die sich nun in Bewegung setzte und den Schnee mit ihren Hinterreifen aufwirbelte, und die Dinger, die er eben noch gesehen hatte, waren verschwunden - was die Sache eher verschlimmerte. Das Auto bewegte sich von ganz allein.
    Don war zur Straße gelaufen, und nun kletterte er einen Schneewall hinauf, der von den Räumgeräten am Straßenrand aufgeworfen worden war, und rutschte an der anderen Seite wieder hinunter. Hier hatte der Wind den Bürgersteig vom Schnee befreit, nur hin und wieder gab es glatte Flächen, und auf so einer Stelle rutschte Don aus und landete mit einem dumpfen Knall auf dem Rücken. Einen Moment später war die Straße in ein grelles weißes Flutlicht getaucht. Don wälzte sich auf den Bauch und sah auf den Schneewall zurück, und die Augen quollen ihm fast aus den Höhlen. Vier große grellweiße Kreise bohrten sich durch den zusammenbrechenden Schneewall und rasten auf ihn zu wie eine Lokomotive.
    Libertyville bestand aus drei unterschiedlichen Gegenden. Die Gegend um den Stadtkern war bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts unter dem Namen »Liberty Lookout« bekannt gewesen (eine Gedenktafel an der Ecke Rogers und Tacklin Street erinnert heute noch an den schönen Ausblick, den der Wanderer von dieser Anhöhe auf die Stadt genossen habe).
    Heute war dieser Stadtteil zu einem Armenviertel degeneriert.
    Wäscheleinen spannten sich über schmutzige Hinterhöfe, die in der wärmeren Jahreszeit mit Kindern und billigem Spielzeugramsch übervölkert waren - in zu vielen Fällen machten Kinder wie Spielsachen einen mißhandelten Eindruck. Dieser Stadtteil, früher ein Wohnbezirk der Mittelklasse, hatte mit der nach Kriegsende einsetzenden Arbeitslosigkeit einen unaufhaltsamen Niedergang erlebt, zunächst fast unmerklich, dann in den sechziger und frühen siebziger Jahren beschleunigt. Jetzt war er am absoluten Tiefpunkt angekommen, obwohl niemand, der dort wohnte, das laut zugeben wollte -
    die Schwarzen zogen ein. Darüber sprach man nur in privaten Kreisen in den besseren Vierteln der Stadt, bei einer Grillparty oder einem Cocktailabend: Die Neger, Gott helfe uns, die Neger entdecken Libertyville! Der Bezirk hatte sich inzwischen sogar einen anderen Namen gegeben. Er hieß nicht mehr
    »Liberty Lookout«, sondern »Low Heights«, was viele als Geschmacklosigkeit empfanden, weil sich damit die Vorstellung eines Armenviertels förmlich aufdrängte. Der Verleger der Lokalzeitung hatte von mehreren seiner besten Anzeigenkun-den einen Hinweis bekommen, daß sie sehr unglücklich wären, falls dieser Name in seiner Zeitung gedruckt und dadurch legitimiert würde. Der Herausgeber, dessen Mutter keine Dummköpfe großgezogen hatte, beherzigte diesen Hinweis.
    Die Heights Avenue zweigt im Stadtkern von Libertyville von der Basin Drive ab, führt bergauf, zerschneidet »Low Heights«
    und windet sich durch einen Grüngürtel in den Wohnbezirk, der schlicht als Heights bekannt ist. Vielleicht mag Ihnen diese Terminologie verwirrend erscheinen - Heights hier und Heights da -, aber die Bewohner von Libertyville wußten ganz genau, was sie darunter zu verstehen hatten. Wenn sie von Low Heights sprachen, meinten sie Armut und Scham, wenn man das »Low« wegließ, meinte man das direkte Gegenteil von Armut. Hier standen die schönen alten Prachtvillen, die meisten von ihnen ein ganzes Stück von der Straße entfernt, die feinsten auch noch hinter dicken hohen Taxushecken versteckt.
    Hier wohnte die Oberschicht - der Zeitungsverleger, vier Ärzte, die reiche und reichlich überkandidelte Enkelin des Mannes, der das Schnellauswerfer-System für Selbstladepisto-len erfunden hatte. Der Rest waren Anwälte.
    Hinter diesem Bezirk respektabler Kleinstadt-Wohlhabenheit durchlief die Heights Avenue ein Waldgebiet, das zu groß war, als daß man es als Grüngürtel bezeichnen konnte. Dieser Wald zog sich ungefähr drei Meilen auf beiden Seiten der Straße hin.
    Am höchstgelegenen Punkt zweigte die Stanson Road nach links ab und

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