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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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mündete am sogenannten Steilhang mit Blick auf Libertyville und das Freilichtkino.
    Auf der anderen Seite dieses niedrigeren Hügels gelangte man in einen traditionsreichen Wohnbezirk der Mittelklasse mit vierzig, fünfzig Jahre alten, langsam vergilbenden Häusern.
    Dort, wo die Besiedlung dünner wurde, verwandelte sich die Heights Avenue in die Landstraße Nummer 2.
    Um halb elf Uhr an diesem Heiligabend kletterte ein zweifarbiger 58er Plymouth die Heights Avenue hinauf, das Licht seiner Doppelscheinwerfer zwei helle, unter dem wirbelnden Schnee fast erstickende Trichter. Die Einwohner von Heights würden gesagt haben, daß nichts - abgesehen vielleicht von einem Allradfahrzeug mit Schneeketten - in dieser Nacht die Heights Avenue hinaufkommen konnte; doch Christine schnurrte mit steten dreißig Meilen pro Stunde den Berg hoch, die Scheinwerfer tasteten die dunkle Straße ab, die Wischer bewegten sich rhythmisch über die Scheibe, im Auto selbst -
    niemand. Die frischen Reifenabdrücke waren die einzigen Spuren auf der verschneiten Straße, an manchen Stellen fast dreißig Zentimeter tief. Der beharrliche Wind ebnete ihre Spuren rasch wieder ein. Hin und wieder schoben Stoßstange und Kühlergrill eine Schneeverwehung stäubend von der Fahrbahn.
    Christine passierte die Kreuzung Stanson Road/Embank-ment, wo Leigh und Arnie sich beim Rendezvous zum erstenmal sehr nahe gekommen waren, erreichte Libertyville Heights und lief dann bergab, durch den dunklen Wald, der nur durch das schneebestäubte Band der Straße etwas aufgehellt wurde, und gelangte schließlich in den letzten Bezirk von Libertyville Heights, zu den Vorstadthäusern mit den anheimelnden Lichtern in den Wohnzimmerfenstern und in einigen Fällen mit den fröhlichen Weihnachtsdekorationen.
    In einem dieser Vorstadthäuser warf ein junger Mann, der soeben den Weihnachtsmann gespielt hatte und nun bei einem Glas Punsch mit seiner Frau feierte, zufällig einen Blick nach draußen und sah die Scheinwerfer vorüberhuschen.
    »Der muß den Teufel als Beifahrer haben«, sagte der junge Ehemann mit einem Grinsen, »wenn er die Steigung geschafft hat«.
    »Du solltest dich eher dafür interessieren«, sagte sie, »daß ich jetzt neben dir sitze und darauf warte, was ich vom Weihnachtsmann bekomme, nachdem die Kinder versorgt sind«.
    Er grinste. »Uns wird schon was einfallen.«
    Will Darnell saß im Wohnzimmer seines schlichten Einfamilien-hauses, das am unteren Ende der Heights Avenue lag. Er trug einen kahlgewetzten, verschossenen blauen Frotteebademantel über seiner Pyjamahose, deren Gummizug sich über einen Bauch spannte, der wie ein geschwollener Mond aussah. Er sah auf der Mattscheibe die Bekehrung des Geizhalses Ebenezer Scrooge durch die beiden guten Feen Güte und Großzügigkeit, aber in Wirklichkeit sah er es nicht. Seine Gedanken versuchten, aus den Puzzle-Teilen Arnie, Repperton, Welch und Christine ein Gesamtbild herzustellen. Will war in der Woche seit der Razzia fast um zehn Jahre gealtert. Er hatte dem Cop Mercer prophezeit, daß er spätestens in zwei Wochen seine Geschäfte im alten Umfang wieder aufnehmen würde, aber er zweifelte daran. In letzter Zeit hatte er einen ekelhaft schleimi-gen Geschmack im Hals, der von diesem gottverdammten Inhalator herrührte.
    Arnie, Repperton, Welch… Christine.
    »Junge!« rief Scrooge vom Fenster seines Schlafzimmers, eine Karikatur des Weihnachtsmannes in seinem langen wollenen Nachthemd und der Zipfelmütze. »Liegt der Truthahn immer noch beim Schlachter im Schaufenster?«
    »Wie bitte?« rief der Junge von der Straße hinauf. »Meinen Sie den Truthahn, der so groß ist wie ich?«
    »Ja, ja«, rief Scrooge und brach in lautes Kichern aus. Man mochte fast meinen, die guten Feen hätten ihn in den Wahnsinn getrieben, statt seine Seele zu retten. »Den Truthahn, der so groß ist wie du!«
    Arnie, Repperton, Welch… LeBay?
    Zuweilen glaubte er, daß es nicht die Razzia war, die ihn so müde gemacht und verängstigt hatte. Daß es nicht an der verheerenden Niederlage liegen konnte, die die Steuerfahndung ihm versetzte, als sie seinen Buchhalter verhaftete, und auch nicht daran, daß Zollfahndung und Schatzamt diesmal genug Munition hatten, um einen Bären zu erlegen. Sie alle waren nicht der Grund, weshalb er sich jeden Morgen argwöhnisch umschaute, bevor er die Straße betrat. Und wenn er abends auf dem Heimweg immer wieder in den Rückspiegel blickte, so hatte das nichts mit dem Staatsanwalt zu

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