Dokument1
Köpfe der Lernenden zu erleuchten… tatsächlich war dieser schlaue Kopf, der diesen Satz prägte, Arnie gewesen. Die Karikatur zeigte zwei Atome in Gestalt zweier heißer Schlitten, die aufeinander zu rasen und dann zusammenstoßen. Presto! Statt eines Haufens Schrott (und atomarer Rettungswagen, die die toten und verwundeten Neutronen abtransportieren sollten), gab es eine Kettenreaktion, eine kritische Masse und einen unglaublichen Knall.
Nun fand ich diese Karikatur, die mir soeben in den Sinn gekommen war, gar nicht mehr so bizarr. Leigh hatte gewisse Informationen, die mir vorher fehlten - und umgekehrt. In beiden Fällen spielten zwar auch subjektive Eindrücke und Gefühle eine Rolle, und vieles davon war nur Vermutung; doch was sich dabei an harten Fakten herauskristallisierte, war schon beängstigend genug. Ich überlegte flüchtig, was die Polizei wohl unternähme, wenn sie wüßte, was wir wußten. Ich konnte es mir denken: Nichts. Kann man ein Gespenst vor Gericht bringen? Oder einen Wagen?
»Dennis?«
»Ich denke gerade nach«, sagte ich. »Siehst du nicht, wie mir der Kopf raucht?«
»Was weißt du über den Wagen?« fragte sie abermals.
Zusammenstoß. Fusion. Kettenreaktion. Kritische Masse. Kaaaa-bumml
Das Problem war, so überlegte ich, daß wir, wenn wir unser Wissen zusammenlegten, etwas tun oder jemanden informieren mußten. Etwas unternehmen. Wir…
Mein Traum fiel mir wieder ein: der Wagen in LeBays Garage, der Motor heult auf und fällt ab, heult wieder auf, die Scheinwerfer flammen auf, das Knirschen der Reifen.
Ich griff nach Leighs Händen. »Okay«, sagte ich. »Hör zu.
Arnie kaufte Christine von einem Typ, der inzwischen tot ist.
Ein Typ namens Roland D. LeBay. Wir sahen sie eines Tages, als wir von der Arbeit nach Hause fuhren, in seinem Vorgarten stehen und…«
»Du machst es auch«, unterbrach sie mich leise.
»Was?«
»Nennst den Wagen ,sie’.«
Ich nickte, ließ ihre Hände nicht los. »Ja. Ich weiß. Es ist schwer, sich das abzugewöhnen. Jedenfalls wollte Arnie sie haben, - Entschuldigung, er wollte ihn haben, oder es, was auch immer dieser Wagen darstellen mag. Ein Blick genügte.
Ich glaube jetzt… damals nicht, aber jetzt bin ich davon überzeugt… daß LeBay sich ebenso heftig wünschte, daß Arnie sie haben sollte; daß er sie ihm sogar geschenkt hätte, wenn es nicht anders gegangen wäre. Arnie sah Christine und wußte, daß sie ihm gehört, und LeBay sah Arnie und wußte es ebenfalls.«
Leigh zog ihre Hände weg und fing wieder an, ruhelos ihre Ellbogen zu massieren. »Arnie erzählte mir, er hätte dafür bezahlt…«
»Und ob er dafür bezahlt hat. Er bezahlt immer noch dafür. Das heißt, falls von Arnie überhaupt noch etwas übrig geblieben ist.«
»Was soll das heißen?«
»Ich werde es dir zeigen«, erwiederte ich. »In ein paar Minuten. Aber zunächst möchte ich dir noch etwas er-zählen.«
»Na gut.«
»LeBay hatte Frau und Tochter. Das war in den fünfziger Jahren. Seine Tochter starb am Straßenrand. Sie erstickte. An einem Hamburger.«
Leighs Gesicht wurde blaß, dann so weiß wie ein Laken.
Einen Moment lang schien sie so durchsichtig wie Milchglas.
»Leigh!« sagte ich scharf. »Bist du okay?«
»Ja«, erwiderte sie mit einer frostigen Gelassenheit. Ihre Farbe besserte sich nicht. Ihr Mund verzerrte sich zu einer schrecklichen Grimasse, die wahrscheinlich ein beruhigendes Lächeln sein sollte. »Ich bin vollkommen in Ordnung.« Sie stand auf. »Bitte, wo ist die Toilette?«
»Am Ende des Flurs«, sagte ich. »Leigh, du siehst schrecklich aus.«
»Ich muß mich übergeben«, sagte sie mit dieser gelassenen Stimme und ging aus dem Zimmer. Ihre Bewegungen waren so eckig wie bei einer Marionette. Die tänzerische Anmut, die ich in ihren Schatten beobachtet hatte, war verschwunden. Langsam ging sie aus dem Raum, doch als ich sie nicht mehr sehen konnte, beschleunigte sich der Rhythmus ihrer Schritte; ich hörte, wie sie die Badezimmertür aufriß - und dann diese Geräusche. Ich lehnte mich in das Sofa zurück und legte die Hände über die Augen.
Als sie in das Wohnzimmer zurückkam, war sie immer noch blaß, aber ein Hauch von Farbe war zurückgekehrt. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen, und ein paar Wassertropfen glänzten noch auf ihren Wangen.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
»Ist schon gut. Es hat mich nur… erschreckt.« Sie lächelte matt. »Wahrscheinlich ist das untertrieben.« Sie fing meinen Blick mit ihren
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