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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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war es ein bißchen viel, ihr direkt in die Augen zu schauen. Ich dachte an Arnie und sah woanders hin.
    Sie hängte ihren Parka an die Garderobe und kam langsam in das Wohnzimmer zurück. »Deine Eltern - ?«
    »Ich habe meinen Vater überredet, mit der Familie auszugehen«, sagte ich. »Ich dachte, vielleicht« - ich zuckte mit den Achseln - »vielleicht sollten wir unter vier Augen reden.«
    Sie stand neben dem Sofa und sah zu mir herüber. Zum wiederholten Mal war ich beeindruckt von der Schlichtheit ihres guten Aussehens - ihrer reizenden Mädchenfigur, die sich unter der dunkelblauen Skihose und dem Pullover in hellerem Blau abzeichnete - eine Kombination, die in mir die Sehnsucht nach Skifahren weckte.
    Ihr Haar war locker zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und lag über der linken Schulter. Ihre Augen hatten die Farbe ihres Pullovers, vielleicht eine Idee dunkler. Eine mit Mais aufgezogene amerikanische Schönheit, hätte man sagen können, wenn man von den hohen Wangenknochen absah, die ein bißchen arrogant wirkten und auf eine ältere, exotischere Abkunft hindeuteten. Vielleicht war vor fünfzehn oder zwanzig Generationen ein Wikinger dazwischen gewesen.
    Oder vielleicht dachte ich in diesem Augenblick an ganz etwas anderes.
    Sie bemerkte, daß ich sie zu lange ansah, und errötete. Da schaute ich weg.
    »Dennis, machst du dir seinetwegen Sorgen?«
    »Sorgen? Angst wäre schon eher das richtige Wort.«
    »Was weißt du über diesen Wagen? Was hat er dir erzählt?«
    »Nicht viel«, erwiderte ich. »Hör mal - möchtest du nicht etwas trinken? Da stehen ein paar Sachen im Kühlschrank…«
    Ich tastete nach meinen Krücken1.

    »Bleib sitzen«, sagte sie. »Ich hätte ganz gern was; aber ich hole es mir selbst. Und was ist mit dir?«
    »Für mich ein Ginger Ale, wenn noch was da ist.«
    Sie ging in die Küche, und ich beobachtete ihren Schatten an der Wand, der sich so beschwingt bewegte wie eine Tänzerin.
    Ich spürte plötzlich ein doppeltes Gewicht im Magen, fast so etwas wie Übelkeit. Es gibt einen Namen für diese Art von Übelkeit. Ich glaube, man nennt sie »sich in die Freundin seines besten Freundes verlieben«.
    »Ihr habt ja einen automatischen Eisbereiter!« kam ihre Stimme aus der Küche. »Wir haben auch einen. Ich liebe das Ding.«
    »Manchmal spielt er verrückt und spuckt die Eiswürfel über den ganzen Küchenboden«, rief ich zurück. »Dann erinnert er mich an Jimmy Cagney in White Heat: >Freßt das, ihr dreckigen Ratten!< Das Ding treibt meine Mutter noch in den Wahnsinn.«
    Ich plapperte Unsinn. Sie lachte. Eiswürfel klirrten in Gläsern.
    Kurz darauf kam sie mit zwei Büchsen Canada Dry und zwei Gläsern mit Eiswürfeln ins Wohnzimmer zurück.
    »Vielen Dank«, sagte ich und nahm mein Glas.
    »Nein, ich habe dir zu danken«, sagte sie, und jetzt waren ihre blauen Augen dunkel und nüchtern. »Vielen Dank, daß du da bist. Wenn ich das alles hätte alleine durchstehen müssen, ich glaube, dann… ich weiß nicht.«
    »Na, na«, sagte ich, »so schlimm ist es nicht.«
    »Wirklich nicht? Hast du das von Darnell gehört?«
    Ich nickte.
    »Und das von dem anderen? Von Don Vandenberg?«
    Also hatte sie ebenfalls die Verbindung hergestellt.
    Ich nickte wieder. »Ich habe den Bericht gelesen. Leigh, was stört dich denn so sehr an Christine?«
    Lange wußte ich nicht, ob sie antworten würde. Ob sie zu einer Antwort fähig war. Ich konnte sehen, wie sie mit sich rang, während sie auf ihr Glas schaute, das sie mit beiden Händen festhielt.
    Schließlich sagte sie sehr leise: »Ich glaube, sie hat versucht, mich umzubringen.«
    Ich weiß nicht, was ich von ihr erwartet hatte; aber gewiß nicht das. »Was meinst du damit?«

    Sie erklärte es mir, zuerst zögernd, dann immer rascher, bis es nur so aus ihr heraussprudelte. Es ist eine Geschichte, die Sie bereits kennen; also möchte ich sie hier nicht wiederholen. Es mag genügen, daß ich versuchte, sie so wiederzugeben, wie Leigh sie mir erzählte. Es war keine Übertreibung von ihr, sie hatte Angst. Sie war in ihrem bleichen Gesicht, im Zittern und Überkippen der Stimme, in ihren Händen, mit denen sie beständig die Oberarme massierte, als wäre es ihr trotz des warmen Pullovers zu kalt, und je mehr sie redete, um so ängstlicher wurde ich.
    Sie endete, indem sie mir beschrieb, wie die beleuchteten Instrumente am Armaturenbrett sich in lauernde Augen zu verwandeln schienen, als ihr Bewußtsein schwand. Sie lachte nervös bei diesem

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