Dokument1
Lächeln nistete in seinen Mundwinkeln. Mich ergriff ein sehr unmännliches Gefühl, eine Mischung aus Abscheu und kalter Angst. Er sah nicht nur stupide und brutal aus; er sah aus wie ein Verrückter.
»Hab’ ich dir nicht gesagt, daß ich es dir heimzahlen werde?«
sagte er leise zu Arnie. Er kippte das Messer nach vorne und bewegte es langsam auf Arnie zu. Arnie zuckte ein wenig zurück. Das Klappmesser besaß einen Griff aus Elfenbein mit einem kleinen Chromknopf dicht unter der Schneide, mit dem man die Klinge aus dem Griff herausschnellen lassen konnte.
Die Klinge schien fast zwanzig Zentimeter lang zu sein - das war kein Messer mehr, sondern ein verdammtes Bajonett.
»He, Buddy, schnitz ihm deine Initialen ins Gesicht!« krähte Don Vandenberg vergnügt, und ich hatte plötzlich ein ganz trockenes Gefühl im Mund.
Ich sah mir den Jungen neben mir an, ein Erstkläßler, den ich nicht kannte. Er hatte einen verklärten Blick. »He«, sagte ich, und als er darauf nicht reagierte, rammte ich ihm den Ellenbogen in die Seite. »He!«
Er fuhr zusammen und schaute mich entsetzt an.
»Los, hau ab und hol Mr. Casey! Er macht Pause in der Schreinerwerkstatt. Hol ihn.«
Repperton blickte zu mir, dann auf Arnie. »Nun komm schon, Cunningham«, sagte er, »oder willst du kneifen?«
»Steck das Messer weg, dann reden wir weiter, du Scheißer«, erwiderte Arnie.
Seine Stimme klang vollkommen ruhig. Scheißer, wo hatte ich das Wort schon mal gehört? Von George LeBay? Ja doch. Es war ein Lieblingsausdruck seines Bruders gewesen.
Offensichtlich war es ein Wort, das Repperton nicht gefiel. Er fuchtelte mit dem Messer herum und ging einen Schritt näher an Arnie heran. Arnie wich ihm seitlich aus. Ich fürchtete, daß jetzt gleich etwas Schlimmes passieren mußte - etwas, das genäht werden mußte und eine Narbe hinterließ.
»Hab’ ich nicht gesagt, daß du Casey sofort holen sollst?«
fauchte ich das Greenhorn neben mir an, und diesmal gehorchte er. Aber vermutlich war es schon passiert, ehe er mit Mr. Casey zurückkam…, falls ich die Sache nicht verzögern konnte.
»Steck das Messer weg, Repperton«, sagte ich.
Er blickte abermals zu mir hinüber. »Wen haben wir denn da?« sagte er. »Den Freund unseres Pizzagesichts. Willst du mich zwingen, das Messer wegzustecken?«
»Du hast ein Messer, und er hat keins«, erwiderte ich. »Bist du zu feige, ehrlich zu kämpfen?«
Reppertons Gesicht lief dunkelrot an. Seine Konzentration war gebrochen. Seine Augen wanderten unablässig zwischen Arnie und mir hin und her. Arnie warf mir einen Blick voller Dankbarkeit zu und rückte einen Schritt näher an Repperton heran. Das gefiel mir nicht.
»Steck das Messer weg!« rief jemand Repperton zu. Dann ein zweiter: »Steck es weg!« Bald entwickelte sich daraus ein rhythmischer Chor: »Steck es weg, steck es weg, steck es weg!«
Das gefiel Repperton nicht. Er war gern der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, doch das war die falsche Art von Aufmerksamkeit. Seine Augenlider fingen an zu zucken, als er Arnie ansah, dann mich, dann die Zuschauer. Eine Haarsträhne fiel ihm in die Stirn, und er ruckte sie zurück.
Als sein Blick sich abermals auf mich heftete, machte ich eine Bewegung, als wollte ich auf ihn losgehen. Sofort zeigte die Messerspitze in meine Richtung, und Arnie bewegte sich - viel schneller, als ich ihm jemals zugetraut hätte. Er schlug mit der gestreckten Hand zu, halbherziger Karateschlag, der trotzdem Wirkung zeigte. Er traf Reppertons Handgelenk und prellte ihm das Messer aus der Hand. Es fiel klappernd auf den mit Kippen überstreuten Asphalt. Repperton bückte sich und wollte es wieder aufheben. Arnie bereitete sich mit geradezu tödlicher Konzentration darauf vor, und als Reppertons Hand den schmutzigen Teerbelag berührte, trat Arnie wuchtig darauf. Repperton schrie.
Da mischte sich Don Vandenberg in das Geschehen ein, warf sich mit voller Wucht gegen Arnie und schleuderte ihn zu Boden. Ohne mich lange zu besinnen, stieg ich nun selbst in den Ring und trat Vandenberg mit voller Wucht in den Hintern. Ich zog einfach ab, als wollte ich einen Football ins Tor befördern.
Vandenberg, ein hagerer, großgewachsener Typ, der damals neunzehn oder zwanzig Jahre alt sein mußte, begann heulend im Kreis herumzutanzen und hielt mit beiden Händen seinen Hintern fest. Er schien vergessen zu haben, daß er sich im Ring befand, weil er seinem Freund Buddy helfen wollte. Er schied aus dieser
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