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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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fertig war sie damals noch lange nicht. Ich war eben verzweifelt.«
    Wie verzweifelt? fragte ich mich kalt.
    »Und er hörte mich an und sagte, er wüßte, wie wichtig die Sache für mich wäre, und falls…« Arnie ließ den Satz unbeendet und schien wieder seinen Erinnerungen nachzuhängen.
    »Und das ist die Geschichte meiner ersten großen Verabredung«, schloß er ein wenig prosaisch.
    Und falls…
    Aber das ging mich ja nichts an.
    Wenn er blind ist, mußt du für ihn sehen können, hatte mein Vater gesagt. Aber auch das schob ich von mir fort.
    Wir gingen an der Raucherecke vorbei, die nur von drei Jungs und zwei Mädchen besetzt war, die überstürzt einen Joint zu Ende rauchten, den sie hinter einem Streichholzbriefchen versteckten. Der Wind, der den Rauch zu uns trieb, füllte meine Nase mit dem unverwechselbar-provokativen Hasch-Aroma, das an langsam verglimmende Herbstblätter erinnert.
    »Hast du Buddy Repperton mal wieder gesehen?« fragte ich.

    »Nein«, sagte er, »und ich will auch nicht. Du?«
    Ich hatte ihn einmal gesehen, und zwar draußen in Vandenbergs Tankstelle an der Fernstraße 22 in Monroeville. Die freie
    »Happy Gas«-Tankstelle gehörte Don Vandenbergs Vater, und seit dem arabischen Ölembargo 1973 siechte diese Zapfstation am Rande des Bankrotts dahin.
    Buddy hatte mich nicht bemerkt.
    »Gesehen ja, aber nicht mit ihm geredet.«
    »Du meinst, der Typ kann auch reden?« sagte Arnie mit einer für ihn ganz untypischen Schnoddrigkeit. »Dieser Scheißer!«
    Da war es wieder, dieses Wort, bei dem ich zusammensackte.
    Ich überlegte und probierte es dann einfach. Ich fragte ihn, wo er dieses Wort aufgeschnappt habe.
    Er sah mich nachdenklich an. Die Glocke an der Außenwand des Schulgebäudes ertönte zum zweitenmal. Wir würden ein paar Minuten zu spät zum Unterricht kommen, doch in diesem Moment war mir das ziemlich egal.
    »Erinnerst du dich noch an den Tag, als ich meinen Wagen kaufte?« fragte er. »Nicht als ich die Anzahlung leistete, sondern später, als ich den Rest bezahlte?«
    »Sicher.«
    »Du bist damals draußen beim Wagen geblieben, während ich mit LeBay ins Haus ging. Wir setzten uns in seiner winzigen Küche an einen mit einem rot-weiß karierten Tuch bedeckten Eßtisch, und er bot mir ein Bier an. Ich dachte, es wäre besser, das Angebot anzunehmen, ich wollte den Wagen wirklich haben und ihn nicht beleidigen. Also schenkte er uns beiden erst einmal ein Glas Bier ein und fing dann an zu quatschen…
    über die Scheißer, die ihm das Leben so sauer gemacht hatten.
    Die Scheißer. Der Ausdruck stammt von ihm, Dennis. Die Scheißer waren an allem schuld. Auch daran, daß er seinen Wagen verkaufen mußte.«
    »Er mußte doch gar nicht. Was meinte er denn damit?«
    »Vermutlich, daß er zu alt war. Aber das sagte er nicht. Die Scheißer waren daran schuld. Die Scheißer wollten ihn dazu zwingen, alle zwei Jahre seine Führerschein-Prüfung zu wiederholen und sich jedes Jahr einem Sehtest zu unterziehen. Ich glaube, dieser Sehtest machte ihm besonders zu schaffen. Und die Nachbarn waren auch Scheißer. Einer von ihnen muß mal einen Stein auf sein Auto geworfen haben. Das habe ich alles verstanden. Aber was ich nicht begreife…« Arnie blieb mitten unter der Tür stehen. Er nahm nicht zur Kenntnis, daß wir zu spät zum Unterricht kommen würden. Er hatte die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans geschoben und sah mich stirnrunzelnd an. »Ich begreife nicht, weshalb er Christine so verkommen ließ, Dennis. Warum sie in einem so verwahrlosten Zustand war, als ich sie kaufte. Denn die meiste Zeit redete er von ihr, als liebte er sie - ich weiß, du denkst jetzt, das wäre nur Geschwätz gewesen, mit dem er seinen Wagen schmackhafter machen wollte, aber das war es ganz bestimmt nicht. Und dann, schon am Schluß seiner Sabbelei, während er das Geld zählte, knurrte er: >Ich weiß gar nicht, was dir an diesem Scheißwagen so gefällt, mein Junge. Die Karre ist wie Pik Sieben. < Ich sagte nur, ich würde sie schon wieder hochpäppeln. Und er antwortete: >Das und noch viel mehr. Wenn die Scheißer es zulassen.<«
    Wir gingen hinein. Mr. Leheureux, der Französischlehrer, drehte uns im Vorbeistürmen seinen kahlen Kopf zu, auf dem sich das Licht der Deckenleuchten spiegelte, und sagte mit einem gehetzten Tonfall, der mich an das weiße Kaninchen in Alice im Wunderland erinnerte: »Ihr kommt zu spät, Jungs.« Wir legten ein paar Laufschritte ein, bis er um die Ecke des Korridors

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