Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
machen werden.«
Der Knoten in Cithrins Eingeweiden war noch da, aber etwas hatte sich verändert. Sie stellte fest, dass sie lächelte. Grinste.
»Wenn wir das gewinnen«, sagte sie und hielt die Blätter hoch, »haben wir alles gewonnen.«
Das Treffen im Palast des Statthalters gab vor, nichts von Bedeutung zu sein. Ein halbes Dutzend Männer und Frauen saßen in einem Garten im Innenhof. Die Königinnengarde schenkte parfümiertes Wasser und gewürzten Wein aus. Der Statthalter war ein kleiner Mann mit dickem Bauch und beginnender Glatze. Er behandelte all seine Gäste gnädig und freundlich und war dadurch so gut wie gar nicht als Richtschnur zu gebrauchen, wer unter den Versammelten wichtig war. Sie hatte gehofft, seinen Hinweisen folgen zu können, indem sie aufpasste, mit welchen Leuten er die meiste Zeit verbrachte. Stattdessen blieben ihre Fragen offen.
Es gab einen älteren Kurtadam, dessen Pelz im Gesicht, an der Kehle und am Rücken grau wurde. Er vertrat einen verbrieften Zusammenschluss der Gilde der Schiffsbauer und zweier örtlicher Handelshäuser. Ein Cinnae mit etwas zu viel Rouge auf den Wangen stellte sich als Besitzer eines Söldnertrupps heraus, der groß genug war, um sich auch von Königen anheuern zu lassen. Ganz allein unter den ausladenden Wedeln einer Palme saß eine Tralgu, die Wasser trank und Garnelen aß und allem Gesagten mit einer Konzentration lauschte, die Cithrin die Nerven raubte. Sie alle hatten Pläne und Geschichten, Interessen und Schwächen. Magister Imaniel hätte einmal durch den Raum blicken und Schlüsse ziehen können. Oder zumindest wohlbegründete Vermutungen anstellen. Cithrin war auf der anderen Seite noch ein Jahr zu jung, um ihr Erbe anzutreten. Der Wein war hervorragend. Die Unterhaltung freundlich und gesellig. Sie fühlte sich, als würde sie in einem warmen Meer schwimmen und darauf warten, dass etwas aus der Tiefe heraufkam, sie am Bein packte und hinab in die Kälte zog.
Es half ihr nicht gerade, lockerer zu werden, dass jeder sie mit Neugier zu betrachten schien. Die Stimme und Agentin der Medean-Bank – ein Neuankömmling in der Stadt, der jedermanns Pläne umwarf. Keiner von ihnen, sagte sich Cithrin, hatte erwartet, dass sie sich an diesem Spiel beteiligen würde. Beim Durchschauen der politischen Ränke, die in diesem Hof mit seinen leuchtend bunten Finken und den von der Sonne gewärmten Fliesen gespielt wurden, war sie weit abgeschlagen, aber sie hatte auch eigene Rätsel mitgebracht. Je länger sie für die Versammelten eine Unbekannte blieb, desto mehr Gefühl konnte sie für das Spiel bekommen. Sie reichte ihr leeres Glas einem Königinnengardisten und nahm ein neues. Der Wein hielt ihre Angst im Zaum.
»Magistra bel Sarcour«, sagte der Statthalter, der an ihrem Ellbogen erschien. »Ihr wart in Vanai, ja? Vor dem Überfall durch Antea?«
»Kurz davor«, erwiderte Cithrin.
»Ihr hattet Glück, dass Ihr herausgekommen seid«, sagte die Tralgu. Ihre Stimme war tief wie die von Yardem Hane, aber sie hatte nicht die gleiche Wärme.
»Ja«, antwortete Cithrin und hielt den Tonfall neutral und höflich.
»Wie denkt Ihr über das Schicksal der Stadt?«, fragte der Statthalter.
Cithrin hatte die Frage erwartet, und sie hielt ihre Antwort bereit. »Antea blickt auf eine lange Geschichte militärischer Einmischung in den Freistädten zurück«, sagte sie. »Magister Imaniel und ich hatten die Besetzung früher erwartet, als sie gekommen ist. Dass die Anteaner nicht vorhatten, die Stadt zu halten, wurde erst in den letzten Wochen klar, bevor sie aufgetaucht sind.«
»Ihr glaubt, sie hatten von Anfang an vor, Vanai zu zerstören?«, fragte ein Mann hinter dem Statthalter. Er hatte die Züge eines Erstgeborenen, aber seine goldene Haut, die eine gewisse Rauheit besaß, erinnerte Cithrin an einen Jasuru. Seine Augen waren von verblüffendem Grün. Sein Name war Qahuar Em, und er sprach für eine Gruppe, die teils Handelsgesellschaft und teils Nomadenstamm aus den nördlichen Breiten von Lyoneia war. Seinem Aussehen nach nahm sie an, dass er ein Halbjasuru war, obwohl Cithrin nicht gewusst hatte, dass das möglich war.
»Wir hatten einen starken Verdacht«, sagte sie zu ihm.
»Aber weshalb sollte der Gespaltene Thron so etwas tun?«, fragte der Statthalter.
»Weil sie ein blutrünstiger Haufen Wilder aus dem Norden sind«, sagte die Tralgu. »Kaum besser als Affen.«
»In der Geschichte, die ich gehört habe, hieß es, dass das Niederbrennen
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