Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
davon kaufen könnte? Es ist ja nicht so, als würde jemand von Euch zum Marktfest gehen …
»Neuigkeiten?«, fragte Geder. »Ich kann Euch Berichte von der Welt geben. Nachdem Ihr so … abgelegen wohnt.«
»Und wollt Ihr der Göttin schaden?«
»Keineswegs«, sagte Geder, überrascht von der Frage. In keinem der Bücher, die er gelesen hatte, war eine Göttin erwähnt worden.
Der große Mann hielt inne, und seine Aufmerksamkeit richtete sich einen Augenblick nach innen. Er nickte.
»Dann kommt mit mir, Fürst, und lasst uns von Eurer Welt sprechen.«
Dawson
Sommer in Osterlingbrachen. Dawson stand mit der Sonne auf und verbrachte seine Tage damit, über das Land zu reiten und sich um die Arbeit zu kümmern, die durch seine Winterpflichten und die Intrigen des Frühlings unerledigt geblieben war. Die Kanäle, die die Felder im Süden versorgten, mussten erneuert werden. Eines der Dörfer im Westen war spät im Frühling abgebrannt, und Dawson kümmerte sich darum, dass es wiederaufgebaut wurde. Man hatte zwei Männer gefunden, die im Wald Fallen für das Wild aufstellten, und er war dabei, als sie gehängt wurden. Wohin er auch ging, seine Untertanen, die durch das Land an ihn gebunden waren, erwiesen ihm Ehre, und er nahm sie an, wie es ihm zustand.
Neben den Straßen wuchs das Gras höher. Die Bäume dehnten ihr breites Blattwerk aus, grün und silbern schimmerte es in den Böen und im Sonnenlicht. Zwei Tage von Osten nach Westen, vier von Norden nach Süden, mit Bergpfaden zum Jagen, seinem eigenen Bett, um darin zu schlafen, und dem Dom des vollkommen blauen Himmels über ihm. Dawson Kalliam konnte sich kaum ein luxuriöseres Gefängnis vorstellen, in dem er seine Wochen verschwenden konnte, während das Königreich zu bröckeln begann.
Die Festung selbst summte vor Betriebsamkeit. Die Männer und Frauen der Feste waren genauso wenig an die Anwesenheit ihres Herrn während der langen Sommertage gewöhnt wie an seine Abwesenheit während jener Wintermonate, die nicht von der Jagd des Königs belegt wurden. Dawson spürte, wie schwer ihre Rücksichtnahme wog. Jeder wusste, dass er diese Monate im Exil verbrachte, und zweifellos wimmelte es in den Dienerschaftsunterkünften und den Ställen von Geschichten, Spekulationen und Gerüchten.
Es ergab genauso viel Sinn, dagegen Aversionen zu haben, wie auf die Grillen zornig zu sein, weil sie sangen. Es waren niedere, kleine Leute. Sie verstanden nichts, was man nicht vor ihnen auf dem Tisch ausbreitete. Dawson hatte keinen Grund, ihren Ansichten über die Welt mehr Aufmerksamkeit zu schenken als einem Regentropfen oder dem Zweig eines Baumes.
Von Canl Daskellin hätte er dagegen Besseres erwartet.
»Noch ein Brief, mein Lieber?«, fragte Clara, während er den langen Gang auf und ab schritt.
»Er verrät mir nichts. Hör dir das an«, sagte Dawson und schüttelte die Seiten. Er suchte nach dem Abschnitt. » Die Gesundheit des Königs ist weiterhin schlecht. Seine Ärzte gehen davon aus, dass ihn die Last des Söldneraufstands niederdrückt, erwarten aber, dass er sich bis zum Winter erholt hat. Oder das. Lord Maas ist höchst aggressiv bei seiner Verteidigung von Lord Issandrians gutem Charakter vorgegangen und holt das Meiste aus der Tatsache heraus, dem Verweis entronnen zu sein. Es klingt alles so.Provokationen und Hinweise.«
Clara legte ihre Stickerei weg. In der Hitze des Nachmittags waren ihr Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe getreten, und eine Locke ihres Haars war aus der Frisur geglitten. Ihr Kleid war aus einem dünnen Sommerstoff, der wenig dazu tat, die Umrisse ihres Körpers zu verbergen. Im goldenen Licht, das durch die Fenster fiel, sah sie sehr schön aus.
»Was hast du erwartet, Liebling?«, fragte sie. »Dass alles geradeheraus ausgesprochen wird, ganz offen hingeschrieben?«
»Er hätte genauso gut gar nicht schreiben können«, erwiderte Dawson.
»Du weißt, dass das nicht stimmt, Liebling«, sagte Clara. »Selbst wenn Canl dir nicht alle Einzelheiten vom Hof mitteilt, bedeutet allein die Tatsache etwas, dass er dir geschrieben hat. Man kann jemanden immer danach beurteilen, an wen er schreibt. Hast du etwas von Jorey gehört?«
Dawson setzte sich ihr gegenüber auf den Diwan. Am anderen Ende der Wandelhalle trat eine junge Dienerin durch die Tür, sah den Herrn und die Herrin im Raum und ging rückwärts wieder hinaus.
»Ich habe einen Brief von ihm bekommen«, sagte Dawson. »Er schreibt, dass jeder bei Hof leise geht und
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