Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
beantwortete sich die Frage gleich selbst. Söldner. Krieger. Schwert- und Bogenkämpfer. Die Art Männer, die für Geld töteten. Und sie ging geradewegs ins feindliche Lager. Als sie über die Schwelle trat, schwankte sie. Phelia blickte sie beunruhigt an. Clara schüttelte den Kopf und zwang sich zum Weitergehen. Sie weigerte sich, Unterstützung und Trost von jemandem in der Lage ihrer Kusine anzunehmen. Es wäre erbärmlich gewesen.
Schweigend führte Phelia sie durch einen breiten Gang auf das Zimmer zu, in dem sie Clara bei ihrem letzten Besuch empfangen hatte. Frische Schnittblumen und Girlanden aus herbstlichen Ranken gaben ihren üppigen Geruch an die Luft ab. Das Kerzenlicht rundete die Kanten und machte die Farben der Wandbehänge und des Läufers wärmer. Geder hustete. Ein nervöses, kleines Geräusch.
Am Fuß der Stufen bog Phelia nach rechts ab, und sie folgten ihr alle in einen kurzen Gang, der am Ende abknickte. Hier waren weniger Kerzen angezündet. Die Schatten wurden dichter und schmiegten sich an sie. Am anderen Ende des Ganges führte eine schmale Dienerschaftstreppe nach oben, und breitere Doppeltüren standen geschlossen. Sie würden nicht allzu weit gehen müssen.
»Wer ist da?«, fragte eine Männerstimme.
In einer Nische stand ein Mann in lederner Jägerkleidung von seinem Platz auf. Der Wächter.
»Mein Gemahl hat nach mir geschickt«, sagte Phelia. »Sie haben gesagt, er wäre in seinem privaten Arbeitszimmer.«
»Ist er nicht«, widersprach der Wächter. »Wer sind die?«
»Die Leute, die ich für meinen Gemahl geholt habe«, sagte Phelia schneidend. Clara konnte die Angst in der Stimme der Frau hören, die Verzweiflung. Sie spürte einen Anflug von Stolz auf ihren Mut.
»Er ist hier«, sagte der Priester. Seine Stimme hatte einen seltsamen, unangenehm pochenden Tonfall. »Ihr habt Euch geirrt. Er ist in dem Zimmer hinter Euch.«
»Niemand ist dort drin, ich sage es Euch.«
»Hört. Hört. Ihr habt Euch geirrt«, sagte der Priester noch einmal. »Er ist in dem Zimmer hinter Euch. Klopft an die Tür, und er wird antworten.«
Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, den der Wächter zur Schau stellte, war Clara ziemlich sicher, dass er jeden außer der Dame des Hauses am liebsten niedergeschlagen und nach Verstärkung gerufen hätte. Stattdessen wandte sich der Mann um, wollte an die Eichentür klopfen, und Vincen Coe trat hinter ihn, schlang einen Arm um den Hals des Wächters und hob ihn hoch. Der Mann würgte und trat um sich, seine Hand krallte an Vincens Arm. Clara schloss die Augen, und die Geräusche allein waren schlimmer als der Anblick. Nach einer viel zu langen Zeit wurde der Wächter schlaff. Vincen legte den Körper auf den Boden und stand mit dem gezogenen Schwert des Wächters in der Hand da. Phelia zog einen Schlüssel aus dem Ärmel, steckte ihn in das Schloss, und einen Augenblick später waren sie in Feldin Maas’ privatem Arbeitszimmer.
Vincen holte eine Kerze aus dem Gang, und in ihrem Licht fanden sie die Laternen und zündeten sie an. Der Raum wurde langsam heller, als suchte ihn eine düstere, trübe Morgendämmerung heim: Regale aus dunklem Holz und ein schmaler Schreibtisch mit einem Tintenfass aus Messing und einem weißen Federkiel. Der Raum war größer, als Clara erwartet hatte. Es gab keine Fenster, und ein Gitterwerk aus Hell und Dunkel an einer Wand ließ Clara zu dem Schluss kommen, dass das Zimmer einst genutzt worden war, um Flaschen zu lagern. Phelia ging zu den Regalen, als würde sie schlafwandeln. Mitten aus dem Wirrwarr von Schriftrollen und Buchbänden nahm sie eine einfache Holzkiste heraus, deren Deckel mit einem Haken geschlossen war und an ledernen Angeln hing. Sie hielt sie Geder Palliako hin.
»Sie sind verschlüsselt«, sagte sie. »Ich kenne die Geheimschrift nicht.«
Geder nahm die Kiste entgegen, grinsend wie ein Junge mit einem unerwarteten Geschenk. Sobald sie ihre Hand verlassen hatte, zog sich Phelia in sich selbst zurück, als wären ihre Knochen kleiner und weicher geworden.
»Danke, Liebes«, sagte Clara. »Es war der einzige Weg. Du weißt, dass es er einzige Weg war.«
Es war eine Qual, ihr Schulterzucken zu sehen. »Ich weiß nicht, wie es so weit gekommen ist«, sagte sie. »Ich weiß es wirklich nicht. Wenn wir doch …«
Das Brüllen war unmenschlich. Wie Zorn, Feuer und Mord, die zu Tönen wurden. Clara schrie, noch ehe sie wusste, was es war.
»Was zur Hölle ist das?«
Feldin Maas stand im Eingang, eine
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