Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
Klippe wieder, wo sie versuchte, hundert taumelnde Kleinkinder davon abzuhalten, in den Abgrund zu stürzen.
Sie erwachte mit einem Schrei, und sie erwachte im Schnee.
Große, dicke Flocken fielen vom Himmel, grau vor dem Weiß der Wolken. Die Bäume fingen sie auf, und die Rinde schien sich im Gegensatz dazu schwarz zu verfärben. Die Drachenjade der Straße war verschwunden, ihr Pfad nur noch durch den freien Raum zwischen den Stämmen erkennbar. Der Horizont war ausgelöscht. Opal spannte bereits die Maultiere ins Geschirr.
»Können wir bei diesem Wetter wirklich weiter?«, fragte Cithrin und vergaß, ihre Stimme zu verstellen.
»Das müssen wir. Außer du willst dich lieber hier niederlassen.«
»Aber ist es sicher?«
»Sicherer als die Alternative«, sagte Opal. »Hilf mir mit dieser Schnalle. Meine Hand friert halb ab.«
Cithrin stieg vom Karren und tat wie geheißen. Es dauerte nicht lang, dann waren sie wieder unterwegs. Schnee verkrustete die breiten Eisenräder des Karrens, und die Maultiere begannen zu dampfen. Ohne große Worte hatte Opal die Zügel und die Peitsche übernommen. Cithrin drängte sich elend an sie. Opal kniff die Augen im Schneetreiben zusammen und schüttelte den Kopf.
»Die gute Nachricht ist, dass es keine Banditen geben wird.«
»Wirklich? Und was ist die schlechte?«, fragte Cithrin säuerlich.
Opal blickte zu ihr herüber, die Augen vor Überraschung und Vergnügen aufgerissen. Cithrin erkannte, dass sie sich gerade zum ersten Mal an einem Witz versucht hatte, seit die Karawane Vanai verlassen hatte. Sie wurde rot, und die Wächterin neben ihr lachte.
Bellin bestand nur aus einem halben Dutzend Gebäuden. Die übrige Stadt kauerte sich in eine weitläufige Felswand; die Türen und Fenster hatten vor tausenden von Jahren nichtmenschliche Hände in den grauen Stein gehauen. Ruß überzog die Klippen, wo Kamine schräg in die Welt herausragten. Schnee hing in riesigen, in die Bergflanke gemeißelten Runen, deren Schrift Cithrin noch nie gesehen hatte. Die Gipfel selbst waren im Sturm unsichtbar. Die vertrauten Karren der Karawane waren schwarze Punkte vor dem Weiß, und Pferde und Fuhrleute waren bereits im Fels untergekrochen. Cithrin half Opal dabei, ihren Karren abzustellen, die Maultiere auszuspannen und sie sicher in einen Stall zu führen, wo die anderen Tiere der Karawane schon verstaut waren.
Die Wachen waren dort um einen Schmiedeofen gedrängt, in dem noch Glut war, Mikel und Horniss, Meister Kit und Smit. Sandr grinste sie beide an, als sie eintraten, und der Tralgu, der der Stellvertreter des Hauptmanns war, hob eine breite Hand, ohne sich von der Unterhaltung mit der langhaarigen Cary abzuwenden. Opals Freude, sie zu sehen, machte auch Cithrin beinahe glücklich.
»Es muss doch etwas geben«, sagte Cary, und Cithrin war sicher, dass sie es nicht zum ersten Mal sagte.
»Es gibt nichts«, grollte Yardem. »Frauen sind kleiner und schwächer. Es gibt keine Waffe, die diesen Nachteil ausgleichen kann.«
»Wovon reden wir?«, fragte Opal, als sie sich an den offenen Ofen setzte. Cithrin hockte sich neben sie auf die Bank und merkte erst dann, dass es der gleiche Platz war, den sie auch auf dem Karren innegehabt hatte.
Meister Kit lachte leise und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Cary würde lieber mit Waffen üben, die ihren natürlichen Fähigkeiten besser entsprechen«, sagte er.
»Als da wären: kleiner Wuchs und Schwäche«, ergänzte Sandr.
Cary warf ihm einen Erdklumpen an den Kopf, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. »Kurzbogen«, schlug sie vor.
»Man braucht Kraft, um einen Bogen zu spannen«, sagte Yardem. Er schien kurz davor, sich zu entschuldigen. »Mit Schleuder und Stein kommt es darauf weniger an, aber es macht trotzdem einen Unterschied. Ein Speer hat eine bessere Reichweite, aber man braucht mehr Kraft. Eine Klinge braucht weniger Kraft, aber man braucht eine größere Reichweite. Eine starke, große Frau ist besser als ein kleiner, schwacher Mann, aber so etwas wie eine natürliche Waffe der Frau gibt es nicht.« Der Tralgu zuckte ausgiebig mit den Schultern.
»Es muss etwas geben«, sagte Cary.
»Gibt es nicht«, erwiderte Yardem.
»Vögeln«, schlug Sandr mit einem Grinsen vor, und Cary warf ihm erneut einen Erdklumpen an den Kopf.
»Wie geht es deinen Maultieren, Tak?«, fragte Meister Kit. »Ich habe mir langsam Sorgen gemacht, dass wir euch davonfahren würden.«
»Dazu wäre es nicht gekommen«, sagte eine Stimme hinter
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