Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Vermutlich würde sie mir nichts tun. Aber vielleicht doch. Und sobald dieser Zweifel einmal bestand, erkannte ich, dass es sehr wahrscheinlich war, dass ich geopfert werden sollte. Ich stellte fest, dass ich kein Interesse daran hatte, religiöse Vervollkommnung zu erreichen. Also bin ich gegangen.«
»Ich habe das Gefühl, dass es nicht ganz so geradlinig verlaufen ist.«
»Ist es auch nicht. Ich lebe seit Jahren, inzwischen Jahrzehnten in der Welt, die wir nie gesehen hatten. Es ist komplizierter, als es uns die Priester der Göttin beigebracht haben. Wahrheit und Lügen, Zweifel und Gewissheit. Ich habe festgestellt, dass sie nicht das sind, wofür ich sie gehalten hatte. Ich mag keine Gewissheit, weil sie sich wie Wahrheit anfühlt, aber sie ist es nicht. Und ich glaube, ich kann mir ungefähr vorstellen, was es heißt, wenn ein ganzes Volk Gewissheit erlangt.«
»Und wie ist das dann?«
»Es ist, als würde man etwas vorgeben und dann vergessen, dass man es nur vorgibt. Man fällt in einen Traum. Wenn Gerechtigkeit auf Gewissheit basiert, aber Gewissheit keine Wahrheit ist, werden Schandtaten möglich. Die ersten davon sehen wir jetzt. Es wird noch weitere geben.«
»Vermutlich«, sagte Marcus, und Kits Gelächter ließ die Vögel erschrocken auseinanderstieben.
»Ja«, erwiderte Kit, während mehrere kleine Federn um sie herum herabschwebten. »Vermutlich. Aber es scheint so wahrscheinlich, dass ich mich verpflichtet fühle, dem ein Ende zu setzen. Wenn ich es kann.«
»Und das würdet Ihr tun, indem Ihr …?«
»Es gibt Schwerter. Drachengeschmiedet und auf ewig vergiftet. Wir hatten einige davon im Tempel, aber ich habe herausgefunden, wo sich ein weiteres befindet. Ich glaube, dass man die Göttin damit töten, ihre Macht brechen kann. Und deshalb ziehe ich aus, um es zu suchen und damit in meine Heimat zurückzukehren. Und ich werde letztlich doch noch diese geheiligte Höhle betreten.«
»Das ist ein dummer Plan«, sagte Marcus. »Am wahrscheinlichsten ist, dass Ihr getötet werdet. Wie soll ich da hineinpassen?«
»Als mein Schwertträger. Die Spinnen in mir mögen diese Klingen nicht. Ich glaube nicht, dass ich sie selbst auf dem ganzen Weg tragen könnte. Ich glaube, Ihr könntet es. Von den Menschen, denen ich in meinen Jahren nach dem Tempel begegnet bin, glaube ich, dass Ihr es vor allen anderen könntet.«
Marcus schüttelte den Kopf. »Das klingt alles ein wenig überhitzt und dramatisch. Die beiden Abenteurer, die ausziehen, um das verzauberte Schwert zu finden? Seid Ihr sicher, dass das nicht die Kurzfassung eines alten Schauspiels über den Kampf gegen eine Dämonenkönigin ist?«
Kit lachte leise. »Ich habe eine gewisse Zeit auf der Bühne verbracht. Mein Blickwinkel auf die Welt kommt vielleicht von meinem Platz auf diesen Brettern. Aber ich glaube, dass ich trotzdem recht habe«, sagte er. Und dann, ganz sanft: »Kommt mit mir. Ich brauche Euch.«
»Ihr habt den falschen Mann, Kit. Ich bin nicht irgendein Auserwählter.«
»Doch, das seid Ihr. Ich habe Euch auserwählt.«
Die Aufregung – die Freude –, die in Marcus aufkam, war, als würde man von einer Welle mitgerissen. Es war das, was er sich gewünscht hatte, wonach er sich, ohne es in Worte zu fassen, in all den trüben, aufreibenden Wochen in Porte Oliva gesehnt hatte. Und nun überreichte Gott es ihm auf einem goldenen Tablett. Er bohrte die Fersen in den Boden.
»Ich kann nicht. Cithrin ist in Camnipol. Ich muss sie beschützen.«
»Meint Ihr, das könnt Ihr?«
»Ja«, sagte Marcus.
Kit hob einen Finger. Sein Lächeln war sanft, halb erheitert und halb bekümmert. »Vergesst nicht, mit wem Ihr sprecht. Ich kenne ein paar kleine Salonzauber«, erwiderte er. »Glaubt Ihr, das könnt Ihr?«
Marcus blickte auf seine Hände hinab. Die Nägel waren von seinem Aufbegehren gegen die Fesseln gebrochen und abgerissen. Er hatte kein Schwert oder auch nur genug Münzen, um sich eine Mahlzeit zu kaufen. Etwas ließ seine Kehle eng werden.
»Nein.«
»Ich auch nicht«, sagte Kit. »Genauso wenig Yardem oder diese unerfreuliche Notarin, die die Bank herbeigeholt hat. Und ich würde wetten wollen, dass Cithrin es nicht von Euch erwartet. Wenn sie gerettet werden muss, glaube ich nicht, dass sie die Strategie wählt, verschüchtert auf ihren Adoptivvater zu warten, damit er alles in Ordnung bringt.«
»Sie ist nicht meine Tochter. Ich nehme sie auch nicht als solche wahr.«
»Wenn Ihr es sagt«, erwiderte Kit.
»Schon
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