Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
Vom Netzwerk:
trotzt uns. Sicheres Wissen darüber, was der letzte Imperator der Drachen gedacht oder geplant oder an Intrigen geschmiedet hat, würde nicht nur ein Verständnis des Drachenbewusstseins erfordern, das der Menschheit verloren ging (falls es überhaupt je zugänglich war), sondern auch eine Einsicht in die besondere Form des Wahnsinns, der ihn in jenen gewaltreichen Tagen heimgesucht hat, die seine Herrschaft beendeten. Bestimmte Tatsachen sind bekannt: dass Morades Klauengefährten seine Wahl auf den Thron anfochten, dass die Schlachten zwischen ihnen drei Generationen der Menschen lang andauerten, dass ihr Ende den Beginn der Zeitalter der Menschheit bedeutete. Aber dies sind Gemeinplätze. Kinkerlitzchen.
    Während wir nach größerer Genauigkeit streben, zieht sich die Gewissheit zurück. Jahrhundertelang hieß es, dass die Trockenbrachen östlich der Cenner-Kette leer gewesen wären, seit Seriskat, der erste Drachen-Imperator, seine halb-tierischen Vorväter dort bekämpft und die Zivilisation selbst gegründet hat. Dies wurde erst in Frage gestellt, als der Chemiker Fulsin Sarranis, den der Metallgehalt bestimmter Tinten im uralten Buch der Federn argwöhnisch machte, bewies, dass die Dokumente Fälschungen waren, die nicht vom Sekretär Drakkis Sturmkrähes, sondern von einem Schreiber am Hof von Sammer tausend Jahre nach dem Tod von Morade verfasst worden waren. Forschungsreisen in die Trockenbrachen seit jener Zeit haben die Existenz von Totenstädten bestätigt, landwirtschaftlichen Zentren der Timzinae, die eine vollständige und aktive Ackerbaukultur nahelegen. Da die Timzinae nicht vor dem letzten großen Krieg geschaffen wurden, muss angenommen werden, dass diese Städte nach dem Aufstieg der Menschheit errichtet wurden und die Trockenbrachen aus einer anderen, nicht so weit zurückliegenden Katastrophe entstanden sind.
    Die Dokumentation dieser Flunkereien der Geschichtsschreibung ist die Aufgabe meines Lebens gewesen. Von der Zeit an, da ich mich zum ersten Mal zu den großen Universitäten von Samin und Urgoloth aufmachte, wusste ich, dass es meine Bestimmung war, die Narrheiten meiner geschichtsforschenden Kollegen festzuhalten und die Grenzen des historischen Wissens aufzuzeigen. Ich habe meine Queste im Alter von sieben Jahren begonnen, als ich als Jünger des Poeten Merimis Cassian Clayg eine fälschliche Zuordnung in den Vermerken seines Rivalen aufdeckte, des abstoßenden Halbechsen-Propheten, dessen Name nur durch seine Philosophie bekannt ist, den Amidismus.
    Geder schloss das Buch und drückte sich Finger und Daumen auf die Augen. Die Seiten waren aus weichem Tuch, dick und schlaff. Gebunden war es in aufgeplatztes Leder. Als man ihm das Buch geschenkt hatte, eine Gabe zu seinem dreiundzwanzigsten Benennungstag, hatte er große Hoffnungen darauf gesetzt. Seit er den Tempel der Spinnengöttin gefunden und vom Alter der Göttin gehört hatte, das sogar das der Drachen übertraf, hatte er nach einem Beweis dafür gesucht. Eine Geschichte der Betrügereien und Lügen schien beste Aussichten zu bieten, irgendeinen Hinweis darauf zu finden, und wenn es auch nur eine Vermutung war.
    Stattdessen war das Buch ein Gespinst aus immer unwahrscheinlicheren Forschungsergebnissen des beinahe übernatürlich klugen Autors, die zur Entdeckung von immer weiteren angeblich erschütternden Enthüllungen führten und mehr als einmal zu einer Beichte von sexuellen Verfehlungen, die eher prahlend als reumütig dargebracht wurde. Alle zehn oder zwanzig Seiten fühlte sich der Autor dazu berufen, seine These noch einmal anzuführen, wobei er oft die gleichen Sätze benutzte. Und jedes Mal, wenn die scheinbare Aufrichtigkeit des Buches anfing, Geder zu überzeugen, kam eine neue Unwahrscheinlichkeit daher, die ihn wieder herauskatapultierte. Eine Halbechse namens Amidismus?
    Mit der klaren Sicht des Enttäuschten erkannte Geder, dass er eine Parallele zwischen dem Verfasser des Traktats und Basrahip erwartet hatte, dem Hohepriester der Spinnengöttin. Beide versprachen immerhin, von einer geheimen Geschichtsschreibung zu berichten, die der Menschheit ansonsten unbekannt war. Aber wo Basrahip die Macht des Sinir Kushku besaß, des Rechtschaffenen Dieners der Göttin der Spinnen, hatte jener andere bloß selbstverherrlichende Geschichten zu bieten. Wenn Basrahip nur die Wahrheit des geschriebenen Wortes genauso hätte beurteilen können wie die Stimmen der Lebenden …
    »Baron Ebbinwinkel?«
    Geder blickte auf, halb

Weitere Kostenlose Bücher