Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Schlauch?«
Cithrin hörte das Gluckern von Wein. Die Grashalme am Rand des Lagers bewegten sich beinahe lautlos, und ihr fiel auf, dass sie die Augen wieder geöffnet hatte. Mit finsterem Gesicht kniff sie sie zu.
»So oder so, Frühlingssee lässt sich also zum König von Nordstade ernennen und bricht wieder nach Carse auf, um dort die Herrschaft zu übernehmen. Sitzt in seinem Zelt, macht sich Listen mit allen Köpfen, die er abschlagen lassen will, und da kommt der Hauptmann herein und erklärt, dass er weiß, was geschehen ist. Das Nächste, was man sich erzählt, ist, dass Wester blutüberströmt mit einer Axt in der Hand zum Pranger geht, Lady Tracians Fesseln durchschlägt, ihr diese Krone gibt, an der immer noch Teile von Frühlingssee kleben, und sagt, dass sie sie seinetwegen haben kann. Und danach ist er … weg. Verschwindet einfach aus der Geschichte, bis er plötzlich in Porte Oliva aufgetaucht ist, um für die Magistra Wachen anzuheuern.«
Das hohle, zischende Geräusch ertönte, das entstand, wenn sich jemand Wein in den Mund spritzte.
»Glaubst du, er ist in die Magistra verliebt?«
»Barth! Sie ist …«
»Ach, sie schläft doch seit Stunden. Aber im Ernst. Hier ist er, könnte eine eigene Armee aufstellen und irgendwo eine Garnison kommandieren, für den vier- oder fünffachen Lohn dessen, was er jetzt bekommt. Aber er bleibt hier. Die Hälfte der Mädchen in der Schenke würde mit ihm ins Bett gehen, aber er ist stets auf der Hut, damit nur ja keines von ihnen glaubt, er hätte irgendwas im Sinn.«
»Nein, es ist einfach so, dass er seiner verstorbenen Frau noch treu ist. Er kann nicht mit einer Frau zusammen sein, sonst fängt er an, an sie zu denken.«
»Ach, ich glaube, er ist wild auf die Magistra.«
»Ich sage dir, dass es alter Kummer ist, der sein Inneres in Stein verwandelt hat«, beharrte Corisen Mout. »Außerdem hat die Magistra zwar ein hübsches Gesicht, aber keine Titten.«
»Oh, du mein Bruder«, erwiderte Barth mit einem leisen Lachen, »du betest am besten, dass sie schläft …«
»Tue ich nicht«, sagte Cithrin.
Die Stille schien ewig anzuhalten. Sie schob sich aus dem Zelt und stand dann auf. Das Sternenlicht entzog den beiden Männern jegliche Farbe. Ihre Gesichter wirkten zerknirscht. Der Weinschlauch lag in Barths Hand. Sie ging hinüber und nahm ihn ihm ab.
»Ihr hattet mehr als genug. Schlaft jetzt«, sagte sie. »Alle beide.«
Ohne ein weiteres Wort rollten sich die beiden Männer in ihren Bettrollen zusammen. Cithrin stand über ihnen, bis sie anfing, sich lächerlich vorzukommen, und ging dann zurück in ihr kleines Zelt. Die Unterhaltung war zu Ende, aber Cithrin lag trotzdem wach in der Dunkelheit. Nach dem halben Weinschlauch fing der Knoten in ihrem Bauch an, sich zu lösen, so wie sie es in Erinnerung hatte, als sie zum ersten Mal auf der Straße unterwegs gewesen war. Ihre Augen schlossen sich jetzt leichter, da der Alkohol ihren Körper lockerte und alles ein wenig besser aussehen ließ. Als ihre Gedanken zu Marcus wanderten – er konnte doch nicht in sie verliebt sein, oder? Es wäre, als würde Magister Imaniel sie zur Braut wollen. Er war ganz ansehnlich, aber er war so alt –, wandte sie sich bewusst den Feinheiten ihres Handwerks zu. Die Verluste der Sturmkrähe waren vermutlich im Bericht aufgelistet, aber die Gewinne aus der Bergungsaktion nicht. Sie musste sicherstellen, dass sie bei der Dachgesellschaft davon erfuhren. Und dass Pyk die geborgenen Güter nicht behalten wollte, die sie ursprünglich nicht versichert hatten.
Sie fing an, sich zu fragen, wie ein Vertrag aussehen könnte, der Bergungsgüter davor schützte, später von jemand anders geborgen zu werden. Das war durchaus möglich, wie sie annahm, aber sie hatte noch nichts dergleichen gesehen. Sie musste wissen, was die Magistrate davon hielten. Wenn sie alle übereinstimmten, dass Pyk im Unrecht war und die Bergung rechtens, dann konnte die Bank für den Vertrag sehr gute Konditionen anbieten. Volle Deckung für zehn Prozent war nur ratsam, wenn die Möglichkeit bestand, dass man den Vertrag auch durchsetzte …
Langsam spürte Cithrin, wie ihr Verstand unter ihr davontrieb, als sich der Wein und die Ablenkung durch die Verträge mit dem Rauschen des Grases vermischten. Im Halbschlaf verschloss sie den Weinschlauch, rollte sich herum und ließ ihren Körper in das niedergetrampelte Gras sinken. Noch ein paar Tage bis Sara-sur-mar. Dann auf das Schiff. Und dann Carse und
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