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Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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des Frühlings auf und ab, die jungen Blätter fingen das Sonnenlicht ein und glitzerten wie Wasser oder Münzen. Komme Medean lag in der Mitte des Raums, ruhte auf einem Sessel, der aus Lederstreifen gewoben war. Abgesehen von einem Lendenschurz war er nackt, und seine braune Haut war gepudert, bis sie beinahe weiß wirkte. Sein Bauch zeigte das Fett mittleren Alters, und ein Kranz aus weißem Haar hing an seinem Schädel. Er erinnerte Cithrin an einen Klumpen Brotteig, der mit Mehl bedeckt und zum Gehen stehen gelassen worden war.
    Sein rechtes Bein war abgewinkelt und von gewöhnlichen menschlichen Proportionen, aber sein linkes stand gerade nach vorn ab und wurde von einer Schlinge gehalten. Das Knie und der Knöchel waren riesig, unförmig und entzündet. Ein junger Timzinae in den Roben eines Kundigen kauerte neben dem kranken Glied und sang leise. Cithrin hatte noch nie jemanden mit Gicht gesehen, und auch wenn sie gewusst hatte, dass es ein unangenehmes Leiden war, hatte sie nicht verstanden, in welchem Ausmaß. Sie zwang sich dazu, nicht hinzustarren. Etwas in den Fingern des Kundigen klickte, und er knurrte, als hätte er Schmerzen. Komme Medean beachtete ihn nicht. Blassbraune Augen maßen sie von oben bis unten und beurteilten sie nicht, wie ein Mann eine Frau beurteilte, sondern wie vielleicht ein Schreiner ein Holzbrett betrachtete.
    »Ich habe die Berichte aus Porte Oliva gebracht«, sagte Cithrin.
    »In Ordnung. Was wollt Ihr?«, fragte Komme Medean. Und als sie nicht unmittelbar antwortete: »Ihr habt die Berichte selbst überbracht, anstatt einen Kurier zu schicken. Ihr seid selbst hergekommen. Ihr wollt etwas. Was ist es?«
    Der Augenblick taumelte auf Messers Schneide. Es stimmte, sie war den ganzen Weg gekommen, dafür. Um mit dem Mann im Mittelpunkt dieses riesigen Irrgartens aus Macht und Gold zu sprechen und ihn für sich zu gewinnen. Sie hatte sich eine feinsinnige Unterhaltung wie unter Höflingen vorgestellt, das halb spielerische und halb ernste Fragespiel, mit dem Magister Imaniel sie aufgezogen hatte. Sie hatte sich vorgestellt, wie sie den Mann langsam über Stunden oder Tage hinweg beeindruckte. Und nun stand sie stattdessen vor einem mehr oder weniger nackten, kranken Mann, und die eigentliche Frage lag wie ein zerbrochenes Spielzeug zwischen ihnen auf dem Boden.
    Der Augenblick dehnte sich, und Cithrin spürte, wie ihr die Gelegenheit entglitt, bis sie sie gerade nicht mehr erreichen konnte. Sie machte sich vor genau dem Mann lächerlich, den sie hatte beeindrucken wollen. Und dann, im hintersten Winkel ihres Verstandes, flüsterte ihr eine altbekannte Stimme zu. Cary, die Schauspielerin, die Cithrin geholfen hatte, ihre Rolle als Bankier anzunehmen, die Rolle einer Frau, die erwachsen war und sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht befand. Die Frau, die du vorgibst zu sein , flüsterte ihre imaginierte Cary. Was würde sie sagen?
    Cithrin reckte das Kinn. »Ich bin gekommen, um Euch zu sagen, dass Eure Notarin die Seele einer Feldmaus und das Taktgefühl eines Erdrutsches besitzt. Und danach will ich Euch bezirzen, damit Ihr mir mehr von Eurem Geld und mehr Freiheiten gebt, um es einzusetzen«, sagte Cithrin. Ihre Stimme klang entschlossen, obwohl sie leicht zitterte. »Wie schlage ich mich bisher?«
    Im Raum war es still. Sogar der Kundige hielt mit seinem Gesang inne. Und dann stieß Komme Medean, die Seele und der Geist der Medean-Bank, ein bellendes Lachen aus, und Cithrin erlaubte sich wieder zu atmen.
    »Bringt ihr einen Stuhl und reicht mir diese Berichte«, sagte er. Sie legte ihm die versiegelten Bücher in die Hand. Er war größer, als er anfangs ausgesehen hatte. Er brach die Siegel und öffnete die Ordner und las dann den verschlüsselten Text so mühelos, als wären es nur einfache Buchstaben. »Also gut, Magistra. Sehen wir einmal, wie Ihr Euch schlagt. Bisher.«

G EDER
    ALS JUNGE, SOGAR NOCH als junger Mann, hatte sich Geder ausgemalt, wie es wäre, König zu sein. Diese Tagträume waren ihm zu jener Zeit samt und sonders erfreulich erschienen. Wenn er König wäre, würden Männer wie Alan Klin unter der Fuchtel gehalten werden. Wenn er König wäre, würde er veranlassen, dass die Bibliotheken von Camnipol – von ganz Antea und seinen Ländereien – gut gefüllt und gepflegt wurden. Wenn er König wäre, würde er jede Frau, die er wollte, zu sich ins Bett befehlen, und keine würde ihn auslachen oder ablehnen oder eine Bemerkung zu seinem Bauch machen. Das waren

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