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Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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etwas und doch alles. Clara sah es in hunderten Kleinigkeiten. Die Bäckerin verzierte ihre Brötchen mit einem breiteren Streifen Honig. Die Modeerscheinung der schwarzen Ledermäntel, die zu großzügig geschnitten waren, war beinahe schon abgeklungen, aber nun brandete sie wieder auf. Bei den Treffen der Gemahlinnen wichtiger Adliger verlagerten sich die Gespräche langsam von dem Entsetzen darüber, dass die Männer fort waren, auf das Entsetzen darüber, dass sie zurückkehrten.
    Täglich trafen Nachrichten ein, und Gerüchte und Wahrheit hielten sich dabei etwa die Waage. Die Armeen hatten Kaltfel eingenommen oder waren zurückgetrieben worden. Einer der Soldaten hatte Simeons Geist inmitten des Getümmels gesehen oder wie er über das Schlachtfeld schritt oder neben dem Lordmarschall stand. Clara hatte schon häufiger Zeiten des Kampfes und der Schlacht miterlebt, und diese Faszination für die Geister der Toten war eine Neuerung. Sie fragte sich, ob die Gerüchteküche des Krieges Modeerscheinungen kannte, wie alle anderen auch. Wenn man es so betrachtete, konnte sie sich keinen Grund vorstellen, weshalb nicht.
    Die Briefe von Dawson waren jedoch beunruhigend.
    Sie kamen beinahe zweimal wöchentlich. Häufig, aber nicht so regelmäßig, dass sie sich Sorgen machte, wenn sich einer verspätete. Er teilte ihr nur wenige harte Fakten mit – sie war vielleicht seine Frau, aber sie war nicht im Kriegsrat – und konzentrierte sich eher auf allgemeine Aussagen und Eindrücke. Mit jedem neuen Sieg schien er ein wenig zorniger zu werden. Häufig beschrieb er die politischen und verwandtschaftlichen Beziehungen von Antea und Asterilreich; wie zwei streitende Brüder, sagte er. Auch wurde seine Meinung zu Ausländern, die weiß Gott nie besonders herzlich gewesen war, düsterer als je zuvor. Wenn sie seine Worte las, fühlte sie sich, als würde er die Botschaften eher an sich selbst als an sie schreiben. Vielleicht ritt der Geist von Simeon neben ihm, wenn auch nur in bildlicher Hinsicht.
    Die andere bemerkenswerte Veränderung im Hofleben war die wachsende Beliebtheit von Geder Palliakos privater Priesterschaft. Nachdem er den Sieg über Maas gefeiert hatte, indem er den Tempel gegründet hatte, war am Hof eine gewisse morbide Neugier aufgekommen. Dann, nachdem er Regent geworden war, hatten sich die Höflinge dazu herabgelassen, den Ort aufzusuchen, weil sie nach neuen Möglichkeiten Ausschau hielten, um ihre Gunst zu mehren. Noch darüber hinaus schien es nun jedoch ein wachsendes Interesse am Tempel an sich zu geben. Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte, aber sie scheute sich davor, dorthin zu gehen, ohne vorher mit Dawson darüber gesprochen zu haben. Es war besser, erst seine Laune zu ergründen und dann zu entscheiden, ob es die Mühe wert war, ihre Frömmigkeit ein wenig auszuweiten.
    Da die Straße nach Kaltfel offen war und die Armeen von Asterilreich sich noch aus den Marschen des Südens heraufquälten, erwartete sie, dass Dawson bis Mittsommer zurück sein würde. Falls die unvermeidlichen Friedensgespräche in Camnipol geführt wurden, sogar noch früher. Und ehe das geschah, hatte sie selbst einen Waffenstillstand auszuhandeln.
    Die Ehe hatte Elisia gutgetan. Clara hätte es nie laut ausgesprochen, aber ihre Tochter hatte immer zu dünn gewirkt, als sie herangewachsen war, zu knochig und schmalhüftig. Wenn man ehrlich war, war Elisia Kalliam ein grausames Mädchen gewesen. Wie jeder, der am königlichen Hof lebte – sei es Mann oder Frau, Junge oder Mädchen –, hatte Elisia ihren Freundeskreis gehabt, und als junge Frau hatte sie ihre Freunde rücksichtlos herumkommandiert. Nun war sie Elisia Annerin, die Frau von Gorman Annerin. Ihr Gesicht und ihre Brust waren weicher geworden, so dass sie nun eher wie die Tochter ihrer Mutter wirkte. Und sie hatte Hüften – Gott sei es gedankt, hatte sie die, sonst wäre die Geburt ihres Sohnes wohl noch schlimmer geworden. In ihrer Körperhaltung lagen Selbstvertrauen und Gelassenheit.
    Sabiha schien dagegen beinahe noch zögerlicher als während des Werbens.
    Sie saßen zu dritt im Sommergarten unter dem Schatten des großen Trompetenbaums. Clara, Elisia, Sabiha. Die Tochter, die sie verloren hatte, und die Tochter, die sie gewonnen hatte. Die beiden Mädchen – nun, eigentlich Frauen inzwischen – sahen sich über den Tisch hinweg mit einer spröden Höflichkeit an, die Clara genau sagte, wie groß die Kluft zwischen ihnen war. Neben dem

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