Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
unruhig, also war zumindest das in Ordnung. Sie hatten zusammengenommen genug Verstand, um zu bemerken, wenn man sie zusammenstauchte. Dawson beugte sich auf dem Feldstuhl vor, Holz und Leder knarzten unter ihm.
»Sobald sie es begriffen haben, werdet Ihr sie dessen berauben, was Euch gehört«, sagte der Mittlere. Sein Gesicht war runder als bei den anderen, mit schmalen Nasenlöchern und Lippen. Er hatte eine Sprechweise, die Dawson an alte Gedichte erinnerte, die er als Junge gelesen hatte. Der Rhythmus der Worte wirkte, als hätte man sie aus einer Ruine ausgegraben. Oder einem Hügelgrab. »Mehr als das braucht es nicht.«
Dawson fuhr mit der Zungenspitze an den Zähnen entlang und nickte. Es war eine Geste, die er als Junge angenommen hatte, indem er seinen Vater beobachtet hatte, wann immer dieser zornig und kurz vor einem Gewaltausbruch gewesen war.
»Einen Dreck werden wir tun«, sagte er. »Es ist mir gleich, ob Ihr redet, bis Ihr einen Zungenkrampf bekommt. Weder die Männer noch die Umstände geben her, dass die Brücke eingenommen werden kann, und ich werde kein einziges anteanisches Leben für diesen Unfug verschwenden.«
»Die Göttin ist mit Euch. Ihr werdet nicht scheitern«, sagte der Priester mit dem runden Gesicht.
»Es reicht! Garnisonskommandant Bannien, ich übernehme die volle Verantwortung dafür, dem hier ein Ende zu machen, und ich werde meine schriftliche Einschätzung und die korrigierten Pläne noch heute Abend nach Camnipol schicken. Bitte bereitet einen Kurier und ein Pferd vor, während …«
»Hört auf meine Stimme«, fiel ihm der Priester ins Wort. »Ihr werdet nicht scheitern. Wir sind die Diener der Wahrheit und der Göttin. Was wir Euch sagen, ist wahr. Ihre Männer können nicht gegen Euch bestehen. Sie werden untergehen.«
Dawson lehnte sich zurück. Die Hitze der Kammer und der Rauch der Kerze wirkten unangenehm zusammen. »Wie könnt Ihr glauben, dass das möglich ist?«, fragte er. »Haben sie weniger Männer dort als vorher?«
»Es spielt keine Rolle, wie viele es sind.«
»Sind sie alle krank? Haben sie eine Seuche?«
»Es spielt keine Rolle, ob sie krank oder gesund sind. Ihr seid die Männer von Antea, von starkem Herzen und gesegnet von der Göttin. Sie sind schwach, und ihre Angst ist gerechtfertigt.«
»Wie dem auch sei«, erwiderte Dawson, »sie befinden sich in einer befestigten Stellung, während unsere einzige Angriffslinie deutlich einsehbar, offen und ungesichert ist. Ich muss mir nur die Karte und die Zahlen ansehen, und ich kann Euch so sicher sagen, wie ich Euch meinen Namen sage, dass die Festung genauso wenig eingenommen werden kann wie diese hier.«
»Hört auf meine …«
»Ich habe keine Lust mehr, auf Eure Stimme zu hören, Junge«, unterbrach ihn Dawson. »Es ist gleich, wie oft Ihr mir sagt, dass ein Schwein eigentlich eine Katze ist. Davon wird es nicht wahr.«
»Doch, mein Herr«, erwiderte der mittlere Priester. » Wird es.«
Dawson konnte nur lachen. Die Kerzenflammen tanzten und flackerten.
»Was ist ein Wort, wenn nicht das, was Ihr damit meint, Herr?«, fragte der Priester. »Dies ist ein Hund, und das ist vielleicht ein Hund, und doch sehen sie einander überhaupt nicht ähnlich. Einer ist halb so groß wie ein Pferd, der andere hätte auf dem Schoß einer Frau Platz. Und doch nennen wir sie Hunde.«
»Man kann sie züchten.«
»Timzinae und Haavirisch kann man nicht züchten. Welcher davon ist der Mensch? Ein Fink und ein Habicht sind Vögel, können sie gemeinsam ein Ei ausbrüten? Worte sind leer, bis man sie füllt, und das, womit man sie füllt, gestaltet die Welt. Worte sind die Rüstungen und Schwerter der Seelen, und die Soldaten auf der anderen Seite jener Brücke haben keine Verteidigung dagegen.«
»Nichts, was Ihr gerade gesagt habt«, warf Dawson ein und betonte jedes Wort einzeln, »ergibt einen verdammten Sinn. Ein Krieg ist kein Spiel mit Worten.«
Der Priester hob einen Finger. »Als Ihr Lordmarschall geworden seid, hat sich nichts an Euch verändert. Eure Finger sind dieselben. Eure Nase. Euer Rückgrat. Euer ganzer Körper ist, wie er war, und doch seid Ihr verwandelt. Die Worte wurden gesagt, und dadurch, dass man sie aussprach, wurden sie wahr. Ein Schwein kann eine Art Katze sein, wenn ich es sage und Ihr es als wahr versteht. Wenn wir sagen, dass die Timzinae nicht menschlich sind, dann sind sie es nicht. Wir sind die rechtschaffenen Diener der Göttin, und für uns ist die ganze Welt auf diese Art
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