Dollbohrer!
standen sie denn auch alle, die Luft anhaltend und betend, hinter dem roten Vorhang, um einen bangen Blick auf die Manege zu werfen. Der Trommelwirbel wurde jetzt immer schneller und lauter, sein Crescendo trieb den Puls eines jeden Anwesenden unweigerlich in die Höhe. Im engen Lichtkegel um die Kanone tauchte nun eine Hand auf, die ein brennendes Streichholz hielt und sich rasch der Zündschnur näherte. Genau mit dem letzten Trommelton flammte die Schnur auf, färbte sich glutrot, dann gab es einen ohrenbetäubenden Schlag, und schon kam Romana Prosinecki aus dem Maul der Kanone geschossen. So schnell und vehement wie niemals zuvor. Und so raste sie denn auch raketengleich durch die Luft. Vorbei am Publikum, das mit den Köpfen kaum nachkam, ihrem kurzen Flug zu folgen, schoss sie über das avisierte Trampolin hinaus, um einige Meter weiter mit voller Wucht exakt in der Mitte einer großen Holzzielscheibe zu landen, die man schon für den Messerwerfer aufgebaut hatte. Das Publikum applaudierte begeistert, hielt es diesen Treffer doch natürlich für gewollt und den Gag mit der Zielscheibe für besonders originell. Und so kam es, dass man die auf der Stelle tote kroatische Bombe unter teilweise stehenden Ovationen aus der Manege trug, bis der nächste Künstler kam.
Spätestens jetzt wussten auch die Gutmütigen, dass es sich nicht einfach nur um Zufälle handelte.
Denn auch wenn es in einem Flohzirkus immer wieder mal Pannen oder kleine Unfälle gab und manchmal einer der kleinen Artisten ersetzt werden musste, war das hier doch etwas ganz anderes. Das hier war Mord! Und zwar dreifacher!
Bereits am nächsten Tag trafen sich sämtliche Flöhe zur Lagebesprechung. Dass keiner gewillt war, einfach nur tatenlos zu warten, bis es den Nächsten traf, war klar. Genauso wie man nicht gewillt war, überhaupt wieder in die Manege zu steigen, bevor alles geklärt war. Petrov Gullnowic, der in der Szene bestens bekannte »Pyro-Petrov«, dessen größter Trick es war, sich an einen pendelnden Bindfaden zu hängen und daran mehrfach durch eine Kerzenflamme zu sausen, brachte es auf den Punkt:
»Als Nächstes reißt mein Faden genau in dem Moment, in dem ich durch die Flamme segele! Und da brenn ich mir vermutlich nicht nur den Arsch ab. Und wenn es mich nicht trifft dann einen von euch! Deswegen schlage ich vor, dass wir uns Hilfe besorgen!«
Es bedurfte keines zweiten Sprechers, um Gullnowics Vorschlag einstimmig anzunehmen. Rasch fand man heraus, dass es in Split einen anscheinend sehr guten Detektiv gab, der wohl schon einige recht aussichtslose Fälle in der Rotlichtflohszene gelöst hatte. Da man keine Alternativen und zudem wenig Zeit hatte, einigte man sich darauf, diesen so schnell wie möglich zurate zu ziehen!
Ab da ging es recht flott. Man schmuggelte einen der Kollegen, einen weißen Albinofloh (der ursprünglich aus Papua-Neuguinea stammte und letztes Jahr durch Zufall auf einer Früchte fressenden Fledermaus nach Kroatien gekommen war, weil ein Forscherteam der Universität von Zadar diese bislang unbekannte Spezies bei einer Expedition entdeckt und kurzerhand mitgenommen hatte. Lange Geschichte … egal …), in einen Brief, der auf dem Weg nach Split war. Dort auf der Poststelle angekommen, verließ der Floh unbemerkt das Kuvert und erreichte nur kurz darauf das Viertel, in dem ihr Mann wohnen sollte. Und so dauerte es dank der Überredungskunst des weißen Flohs sowie eines Expresspäckchens nur zwei weitere Tage, bis dieser beim Zirkus ankam, wo sie ihn schon sehnsüchtig erwarteten.
Als der Detektiv den Aufenthaltsraum der Artisten betrat, verstummten sofort alle Gespräche. Jeder starrte auf den Typen mit dem durchaus freundlichen, wenn auch unverbindlichen Gesichtsausdruck, von dem doch eigentlich niemand etwas wusste. Außer dass er Sherlak Holmczek hieß, wie gesagt aus Split kam und so was wie ihre letzte Hoffnung war. Aber sonst? Dass er eine harte Zeit hinter sich hatte, als er damals in einem Moment der Unachtsamkeit versehentlich einen Crack-Junkie gebissen hatte und daraufhin selbst abhängig geworden war, bis ihn ein eisenharter Entzug auf dem Land die Rückkehr in ein normales Flohleben ermöglich hatte? Dass er um ein Haar Mitglied einer mafiösen Vereinigung geworden wäre, die schmutzige Geschäfte mit unreinem Pferdeblut trieb, und dass es sein Vater gewesen war, der ihn in letzter Minute noch da rausgeholt hatte? Und dass der dann auch seinen Sohn ermutigt hatte, für die andere Seite
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