Dolly - 05 - Dollys großer Tag
MieslingSchule aus, sobald Margret wieder von
ihrer gräßlichen, faden Schule anfängt. Damit werden wir sie schnell
heilen.”
„Wenn Evelyn doch nur endlich käme!” rief Susanne. „Ich kann es
gar nicht erwarten, die zwei zusammen zu sehen. Margret ist das
genaue Ebenbild von Evelyn. Sie müssen ja beide glauben, sie
guckten in einen Spiegel, wenn sie sich bloß ansehen.”
Im Lauf des Nachmittags fuhr das Auto mit Evelyn und ihren Eltern in den Hof der Burg ein. Die Nachricht verbreitete sich rasch. „Unsere Evelyn ist zurück! Seht euch den rührenden Abschied an!”
„Und… raus mit den Taschentüchern!” kommandierte Alice. Da waren sie schon zur Hand: bei Evelyn, ihrer Mutter und Fräulein Winter. Und da – du liebe Güte! –, da waren auch die Taschentücher der boshaften Zuschauerinnen an den Fenstern!
„Augen trocknen!” kommandierte Alice weiter. Tatsächlich betupften die drei unten ihre Augen, und oben machten sie es ebenso… alle schluchzten und wischten sich die Augen.
Irene ließ die Schau mit einem ihrer Lachausbrüche platzen. Von unten sahen vier Augenpaare erstaunt hinauf und entdeckten nun erst die Mädchen mit Taschentüchern an den Augen.
Herr Lessing lachte hell auf. „Eine gute Schau für dich, Evelyn! So wie du eine für sie bist!” rief er. Natürlich verschwanden die Köpfe sofort von den Fenstern.
„Mutter, steig ein!” sagte Evelyn verstört. Sie liebte diese kleinen
Abschiedsszenen sehr, und nun war sie ihr diesmal verdorben! „Dies Benehmen gefällt mir nicht, Evelyn”, sagte Frau Lessing tief
beleidigt. „Ich habe gute Lust, Frau Direktor Greiling deshalb einen
Brief zu schreiben.”
„Nur nicht, Mutter!” rief Evelyn erschrocken. Sie wollte lieber nicht
die Aufmerksamkeit der Direktorin erregen.
„Schon gut, Evelyn. Ich sorge, daß sie es nicht tut”, versprach ihr
Vater trocken. „Verabschiedet euch doch jetzt endlich und steigt ein.
Und denk daran, Evelyn: Wenn ich irgendeinen Unsinn von dir höre
im nächsten Halbjahr, dann bekommst du es mit mir zu tun, nicht mit
deiner Mutter. Ich hoffe, nur Gutes zu hören!”
„Ja, Papa”, sagte Evelyn mit piepsiger Stimme.
„Wie unfreundlich du bist, gerade jetzt, wo wir wegfahren”, sagte
Frau Lessing und tippte von neuem mit dem Tuch an ihre Augen.
„Leb wohl, mein Liebling! Du wirst mir so fehlen!”
Evelyn warf einen verzweifelten Blick hinauf zu den Fenstern.
Würde ihre Mutter wieder von vorne anfangen?
„Auf Wiedersehen”, sagte sie kurz und schloß die Wagentür. Ihr
Vater legte unverzüglich den Gang ein, und der Wagen fuhr davon.
Ohne sich noch einmal umzudrehen oder zu winken, stieg Evelyn mit
ihrem Handkoffer die Treppen hinauf.
Margret hatte den herzzerreißenden Abschied nicht mit angesehen.
Sie erblickte Evelyn erst bei der Kaffeetafel.
Evelyn trug ihren Koffer hinauf in den Schlafsaal. Er war leer –
welches Glück! Sie betrachtete sich im Spiegel. Sie war nicht mehr
dick… oder wenigstens nicht mehr sehr, fand sie. Durch diese
verhaßten Wanderungen war sie dünner geworden. Und nun kamen
wieder Sportwettkämpfe und Wanderungen… aber zum Glück kein
Schwimmen. Wenigstens davor hatte sie Ruhe.
Der Gong ertönte. Schnell bürstete sich Evelyn ihr blondes Haar,
das dem von Margret wirklich ähnlich war, wusch sich die Hände, zog
das Kleid zurecht und ging hinunter.
Sie kam mit den letzten in den Speisesaal. In einer Ecke erblickte
sie den Tisch der fünften Klasse. Die Mädchen winkten ihr zu. „Hallo! Da ist die liebe Evelyn Lessing wieder!”
„Evelyn, hier ist eine Neue”, sagte Alice mit verdächtig sanfter
Stimme. „Laß mich sie dir vorstellen, sie wird dir gefallen. Das ist
Margret. Und das ist Evelyn. Sehen sich ziemlich ähnlich, die beiden,
nicht wahr, Mademoiselle?”
„C’est vrai!” stimmte Mademoiselle Dupont zu. „Tatsächlich.
Beide so goldene Haare und große blaue Augen.”
Das schmeichelte allen beiden, Margret und Evelyn, und sie
betrachteten einander mit Interesse. Sie gaben sich die Hand und
lächelten sich an.
„Ich habe einen Platz für dich freigehalten”, sagte Margret
schüchtern und machte große Augen. Evelyn setzte sich und sah nach,
was es zu essen gab. Nach der langen Autofahrt hatte sie Hunger. „Nimm etwas von meinem Honig”, bot ihr Margret bereitwillig an.
„Wir haben Bienen zu Hause und deshalb immer viel Honig. Wir
haben auch Hühner. Da gibt es immer genug Eier. Ich habe einige
mitgebracht. Ich hoffe, du wirst sie mit mir
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