Dolly - 06 - Abschied von der Burg
allen anderen ausgewählt hatte und sie für würdig befand, ihr eine Menge Zeit zu opfern!
„Ich will dich trainieren“, versprach Amanda
„In Ordnung“, sagte Irmgard schließlich und fragte weiter: „Hat Susanne vorgeschlagen, daß du mir besonderen Unterricht geben sollst?“
Amanda schnaubte. „Du bist wohl verrückt! Vielleicht könntest du auch ein bißchen dankbar sein! Schließlich bin ich drauf und dran, dir eine Menge Zeit zu opfern.“
„In Wirklichkeit machst du das doch nur, um dir selbst zu beweisen, daß du recht hast, nicht wahr?“ fragte Irmgard scharf. „Nicht, weil du an mir wirklich interessiert bist! Das macht aber nichts. Dir ist es recht so, und mir paßt es auch.“
Amanda hielt eine scharfe Entgegnung zurück. Es war nicht gut, dieses unverschämte Ding gleich zu Anfang feindselig zu stimmen. Sonst gab es keine gute Zusammenarbeit und auch keine guten
Ergebnisse. Aber leiden konnte sie diese Irmgard nicht!
„Sehr gut“, sagte sie eisig. „Das Ganze beruht also auf rein
sachlicher Grundlage. Ich will beweisen, daß ich recht habe, und du
willst in die zweite Mannschaft aufgenommen werden. Ich denke, daß
du es schaffst. Für eine aus der Zweiten ist das immerhin eine tolle
Sache.“
„In Ordnung“, sagte Irmgard und nickte in ihrer aufreizenden Art. „Über eins mußt du dir allerdings im klaren sein“, sagte Amanda.
„Du hast pünktlich auf die Minute zu erscheinen, wenn ich Zeiten für
Schwimmen und Tennis festsetze. Oder es hat von vornherein keinen
Sinn!“
„Das ist nur anständig“, sagte Irmgard. Und so wurde das
Übereinkommen besiegelt. Ein kaltes Geschäft, bei dem weder
Gefühle noch wirkliche Interessen eine Rolle spielten.
Irmgard ging gutgelaunt fort. Was für eine Sensation für die
anderen!
Sie hatte kaum die zweite Klasse betreten, da wurde sie schon
gefragt: „Na, wie war’s, Irmgard, was wollte sie von dir?“ – „Wieviel
Zeilen mußt du diesmal auswendig lernen?“ – „Warst du frech zu
ihr?“ – „Was hast du gesagt?“
„Sie hat nach mir geschickt, weil sie mich im Tennis und im
Schwimmen trainieren will“, verkündete Irmgard.
Für die anderen war das so erstaunlich, daß plötzlich Totenstille
herrschte.
„Amanda dich trainieren! Warum denn das!“
„Offenbar glaubt sie, ich könnte demnächst in der zweiten
Mannschaft für Tennis und Schwimmen sein, wenn ich wollte“, sagte
Irmgard leichthin.
„Das schaffst du nie. Du alberst viel zu viel herum“, sagte Steffi. „Ich zweifle nicht, daß deine Ansicht richtig ist, Steffi.“ „Nun geh doch nicht gleich in die Luft!“ sagte Felicitas. „Erzähle
uns lieber, was wirklich passiert ist.“
„Ich habe es euch gesagt“, versicherte Irmgard. „Amanda will mich
trainieren, und ich habe zugestimmt. Das ist alles.“
Erneutes Schweigen. Die Mädchen konnten es nur schwer glauben.
Aber sie merkten, daß Irmgard die Wahrheit sagte.
„Tja, alles, was ich dazu sagen kann, ist: Sie wird dich ganz schön
herumkommandieren.“
„Darauf freue ich mich nicht gerade“, sagte Irmgard ruhig. „Aber
wenn sie beweisen will, daß sie recht hat, und mich wirklich ernsthaft
auf die zweite Mannschaft vorbereiten will, dann wird sie schon
wissen, wie sie sich verhalten muß.“
„Die geben ein Paar, die zwei, die geben ein Paar!“ sagte Lotte. „Da
komme ich zum Zuschauen.“
„Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage!“ sagte Irmgard hitzig. „Aber doch, wir müssen einfach kommen“, sagte Felicitas und
machte den anderen ein Zeichen. „Wenn sie dir so wunderbaren
Unterricht gibt, da können wir ja noch etwas lernen.“
„Ein Brosamen vom Tische des reichen Mannes“, kicherte Erika
dumm. „Was für eine Neuigkeit!“
Die Nachricht von dem Sondertraining machte im Nu die Runde. Die Sportlehrerinnen hatten gewisse Bedenken, als sie davon erfuhren. Es war nicht allzu gut, wenn einem Mädchen aus den unteren Klassen zu viel Beachtung zuteil wurde.
Andererseits konnte Irmgard eine wirklich gute Sportlerin werden, falls sie sich genügend Mühe gab. Vielleicht wurde sie durch Amanda dahin gebracht, sich wirklich einmal kopfüber in harte Arbeit zu stürzen. Wenn sie wenigstens auf einem Gebiet einmal fleißig war, dann konnte das ihrer charakterlichen Entwicklung nur förderlich sein.
„Dies Mädchen kann einen rasend machen“, sagte Fräulein Parker, die Lehrerin der zweiten Klasse zu Mademoiselle. „Sie ist auf praktischem Gebiet sehr begabt. Aber sie scheut den Fleiß, der vor
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