Dolly - 06 - Abschied von der Burg
Boot und rettete sie. Aber Amanda ist schwer verletzt!“
„Stellt euch vor, Irmgard hat ihre schlimmste Feindin gerettet!“ sagten die Jüngeren. „Die gute Irmgard! Als sie an Land war, brach sie auch zusammen. Beide sind jetzt im Krankenzimmer.“
Irmgard erholte sich schnell. Sie war nur völlig erschöpft gewesen. Das und die Angst hatten sie für ein paar Stunden außer Gefecht gesetzt. Dann richtete sie sich im Bett auf, verkündete, daß es ihr wieder gut gehe und fragte, ob sie aufstehen dürfe.
„Noch nicht“, sagte die Hausmutter. „Bleib liegen. Ich möchte mit solch einer großartigen Lebensretterin nicht schimpfen. Wenn das nicht stimmen würde, was du erzählt hast, dann würde ich zweifellos schimpfen! Aber du hast tatsächlich Amandas Leben gerettet!“
„Wie geht es Amanda?“ fragte Irmgard und schauderte bei der Erinnerung an deren Verletzungen.
„Nicht allzu gut“, sagte die Hausmutter. „Ihr Arm ist nicht so schlimm, aber die Muskeln an ihrem Bein sind schrecklich zerrissen, wahrscheinlich an einem Felsen.“
Irmgard lag schweigend. „Hausmutter“, fing sie endlich wieder zu reden an, „heißt das, daß Amanda vorläufig nicht mehr Tennis spielen und schwimmen kann?“
„Es bedeutet noch viel mehr“, sagte die Hausmutter. „Wenn ihre Muskeln nicht wieder außergewöhnlich gut verheilen, wird Amanda vielleicht nie wieder Sport treiben können.“
„Aber… aber Amanda wollte nächstes Jahr schon an Schwimmwettkämpfen teilnehmen“, sagte Irmgard. „Sie ist gut genug dafür, Hausmutter.“
„Ich weiß das“, sagte die Hausmutter. „Es ist eine schlimme Sache, Irmgard. Wenn jemand stark und gesund ist und eine großartige sportliche Begabung geschenkt bekam, und all das für eine einzige Stunde verbotenen Vergnügens verliert, dann ist das eine Tragödie. Ich möchte mir nicht vorstellen, was diesem armen Mädchen jetzt durch den Kopf geht.“
Auch Irmgard wollte sich das nicht vorstellen. Wie schrecklich für Amanda! Und daß sie es selbst verschuldet hatte, das mußte für sie noch schrecklicher sein.
„Kann ich Amanda besuchen?“ fragte sie die Hausmutter.
„Heute noch nicht“, sagte die Hausmutter. „Und laß dir eines sagen, Irmgard. Ich weiß von deinem Streit mit Amanda, und mir ist’s egal, wer da nun recht hat. Dieses Mädchen wird jetzt ein wenig Hilfe und Mitleid brauchen. So besuche sie besser nicht, wenn du nicht großzügig genug sein kannst, ihr dies zu geben. Du hast ihr Leben gerettet, das ist eine große Sache. Nun kannst du eine kleine Sache tun und dich bemühen, mit ihr ins reine zu kommen.“
„Das werde ich tun“, sagte Irmgard. „Sie predigen schrecklich, Hausmutter! Ich weiß gar nicht, warum ich Sie so gut leiden kann.“
„Dieses Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit“, sagte die Hausmutter. „Aber jetzt bleib still liegen.“
Als Irmgard schließlich aufstand und zurück in die Schule ging, kam sie sich fast wie eine Heldin vor. Mit dreifachem Hoch wurde sie empfangen, als sie zögernd den Gemeinschaftsraum betrat, und sie war plötzlich ungewohnt schüchtern. Steffi klopfte ihr auf die Schulter, Felicitas bediente ihren rechten Arm wie eine Pumpe, und Nora schüttelte am linken Arm.
„Irmgard hoch!“ riefen die Mädchen im Chor. „Irmgard hoch!“
„Ach, seid ruhig“, sagte Irmgard. „Gibt’s was Neues? Ich komme mir vor, als sei ich Ewigkeiten fortgewesen. Habt ihr in der sechsten Klasse wieder einen Streich gespielt?“
„Nein, nein! Wir haben an nichts anderes als an dich und Amanda gedacht!“ sagte Felicitas. „Wir haben nicht einmal an Streiche gedacht. Aber das holen wir jetzt nach, einfach um deine Tapferkeit zu feiern.“
„Ach, laß das doch!“ sagte Irmgard. „Ich war zufällig unten und sah, daß Amanda in Schwierigkeiten war. Das ist alles. Jeder andere hätte genauso gehandelt.“
Aber ihre Klasse verbarg ihren Stolz auf Irmgard nicht. Auch Alice freute sich und war stolz. Sie kam, um ihrer kleinen Kusine auf die Schulter zu klopfen.
„Gut gemacht, Irmgard!“ sagte sie. „Aber ist das nicht schreckliches Pech für Amanda? Aus mit dem Sport für den Rest des Jahres und vielleicht auch aus für die Zukunft.“
Niemand sagte oder dachte auch nur, daß das die Strafe für Amandas ständige Angeberei war. Auch die Jüngsten nicht, obwohl sie alle Amanda nicht leiden konnten. Dieses Unglück forderte allgemeines Mitleid heraus.
Irmgard hielt ihr Wort. Sobald es erlaubt war, besuchte sie Amanda und brachte ihr eine
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