Dolly - 18 - Sag ja, Dolly!
erforschen! Einen Tusch bitte!”
Das Orchester gehorchte, und unter gewaltigen Klängen öffnete sich die große Doppeltür zum Speisesaal, wo die Kochgarde rund um das originelle Büffet bereitstand, die Schar der Gäste zu bewirten.
Wer geglaubt hatte, der Höhepunkt des Abends läge jetzt hinter ihm, der sah sich eines Besseren belehrt. Schon die riesige französische Landkarte mit den farblich voneinander abweichenden Provinzen bildete eine Sehenswürdigkeit für sich. Und wenn man dann erst die mit beschrifteten Fähnchen versehenen Schüsseln und Platten ins Auge faßte, wußte man gar nicht, wohin man sich zuerst wenden sollte. Zu den leckeren Fischsalaten an der bretonischen Küste, den Pasteten aus der Normandie, den Wurstspezialitäten aus Straßburg, dem kalten Braten nach Burgunder Art, dem Lothringer Speckkuchen oder dem Nizza-Salat. Jede Region wartete zudem mit einer Nachspeise auf, süße Cremes gab es da, Obstkuchen mit hauchdünnem Teig und einer dicken Schicht glasierter Früchte und natürlich zahlreiche Käsesorten.
Noch einmal brachen die Gäste in heftigen Applaus aus, dann formierten sich lange Schlangen, um von allen Seiten zugleich den angebotenen Köstlichkeiten zu Leibe zu rücken.
„Une minute, s’il vous platt!” ertönte da vom anderen Ende des Saales Monsieur Monniers Stimme. „Es gab zwar ein Verbot für Erwachsene, sich in die Vorbereitungen einzumischen, aber da die Zeit nun erfüllt ist, möchte ich mich mit einer eigenen creation beteiligen. Einem Salat, wie er in meiner Heimat zubereitet wird.”
„Ich hätte wetten können, daß er sich die Gelegenheit nicht entgehen läßt!” flüsterte Dolly schmunzelnd ihrem Mann zu. „Er muß schreckliche Angst gehabt haben, daß wir nicht satt werden.”
Monsieur Monnier schleppte schwer an der großen, bis zum Rand gefüllten Keramikschüssel. Mit einem Seufzer stellte er sie auf dem schwungvoll gemalten Wort Bordeaux ab. Krrrxx, machte es, und die Küste Bordeaux senkte sich splitternd in die Tiefe. Zum Glück hatte der kochbegeisterte Französischlehrer seine Arme noch nicht ganz zurückgezogen und packte sofort zu. Die Schüssel mit dem eigens für diesen Tag komponierten kostbaren Inhalt fest umklammert, ging er sacht rückwärts zu Boden. Hilfreiche Hände retteten erst das Werk, dann den Meister.
Die Warteschlangen wurden schnell kürzer, und bald saß alles an den Tischen und schmauste mit wachsendem Vergnügen. Es verdiente wirklich höchste Anerkennung, was die Kochgarde gezaubert hatte. Teller wurden ausgetauscht, Probehappen hin-und hergereicht, jeder mußte unbedingt von allem kosten! Auch wenn insgeheim die Gürtel gelockert, in Taillenhöhe ein Knopf geöffnet wurde.
„Hätte ich doch nur mit den Süßspeisen begonnen!” stöhnte AnnaSophie. „Jetzt bin ich so schrecklich satt, und ich habe die Mousse au Chocolat noch nicht probiert! Und von der Birnentorte wollte ich auch kosten!”
„Es ist noch Nachschub in der Küche”, tröstete Gundula sie. „Nach einer Verschnaufpause kannst du noch mal von vorn beginnen.”
Madame Monnier war an den Tisch des Orchesters getreten und hatte leise mit den Mädchen verhandelt. Jetzt klatschte sie in die Hände.
„Ecoutez, mes amies! Bitte alle herhören! Nachdem wir so reichlich gegessen haben, wird uns ein bißchen Bewegung guttun. Unsere Musikanten werden uns jetzt zum Tanz aufspielen, und ich werde euch ein paar Tänze zeigen, wie man sie in meiner Kindheit getanzt hat. Stellt euch alle in einem großen Kreis auf!”
„Das hat mir gerade noch gefehlt”, maulte Alexa, „angefaßt im Kreis herumtanzen, wir sind doch nicht im Kindergarten!”
Aber da sich ihre Klassenkameradinnen längst abgewöhnt hatten, auf Alexas Jammertiraden zu achten, hörte sie niemand. Ohnehin konnten nicht alle zugleich auf der Tanzfläche Platz finden. Wer außen blieb, klatschte im Rhythmus mit oder half, eilig Tische und Stühle in Sicherheit zu bringen, wenn die Tanzenden durch den Raum wirbelten. Zum Schluß führte Madame Monnier die ausgelassene Gesellschaft mit einer Polonaise durch das ganze Haus. Mit viel Gelächter kehrte man in den Speisesaal zurück, und Madame Monnier sprang auf das Orchesterpodium.
„Voila!” rief sie. „Das, meine Lieben, war ein französisches Fest!”
„Hurra! Bravo!” Die Wände bebten von den Begeisterungsrufen, dem Klatschen und Füßetrampeln.
Frau Greiling ging leise hinaus. Sie lächelte. Wieviel hatte sich in all den Jahren geändert, in denen sie
Weitere Kostenlose Bücher