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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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um fünf begannen und gegen halb zehn endeten. Aber es war nicht mehr dasselbe, das konnte sogar ich erkennen, und dabei war ich nur die Putzfrau. Die Kinder waren still und in sich gekehrt, trauerten vermutlich noch immer um ihren Dad, und nicht lange nach dem Vierten Juli hatten die drei bei einem Essen im Harborside einen Mordskrach miteinander. Jimmy DeWitt, der damals dort als Kellner arbeitete, sagte, er glaubte, es hätte etwas damit zu tun gehabt, daß Helga einen Führerschein haben wollte, aber das kann es natürlich nicht gewesen sein, denn dazu wäre sie noch viel zu jung gewesen - sie war erst dreizehn. Aber es hatte etwas mit einem Wagen zu tun. 
    Was immer es war, die Kinder reisten am nächsten Tag ab. Der Ungar brachte sie in dem großen Motorboot, das sie damals hatten, zum Festland rüber, und ich vermute, daß sie dort von irgendeinem anderen Angestellten aufgegabelt wurden. Seither habe ich beide nie wiedergesehen. Vera blieb. Man konnte sehen, daß sie nicht glücklich war, aber sie blieb. In diesem Sommer war mit Vera gar nicht gut Kirschen essen. Bis der Labor Day endlich gekommen war, muß sie ein halbes Dutzend Aushilfen gefeuert haben, und als ich sah, wie die Princess mit ihr an Bord ablegte, da dachte ich, wetten, daß wir sie im nächsten Sommer oder sogar lange Zeit nicht wieder hier sehen werden. Sie wird sich mit ihren Kindern aussöhnen - das wird sie müssen, schließlich sind sie alles, was ihr noch geblieben ist -, und wenn sie Little Tall satt haben, dann wird sie nachgeben und mit ihnen woanders hingehen. Schließlich werden sie allmählich erwachsen, und damit würde sie sich abfinden müssen.
    Was nur beweist, wie schlecht ich Vera Donovan damals kannte. Tatsache war, daß sie sich mit überhaupt nichts abfinden mußte, wenn sie nicht wollte. 1962 kam sie am Nachmittag des Memorial Day von der Fähre ganz allein und blieb bis zum Labor Day. Sie kam allein, hatte weder für mich noch für sonst jemanden ein gutes Wort, trank mehr als je zuvor und sah an den meisten Tagen aus wie die Großmutter von Gevatter Tod, aber sie kam und puzzelte und ging hinunter an den Strand - jetzt ganz allein - und sammelte ihre Muscheln, wie sie es immer getan hatte. Einmal sagte sie zu mir, wahrscheinlich würden Donald und Helga den August in Pinewood verbringen (so haben sie das Haus immer genannt; du, Andy, weißt das vermutlich, aber ich bezweifle, daß Nancy es weiß), aber sie sind nie erschienen.
    Es war 1962, als sie anfing, auch nach dem Labor Day zu kommen. Sie rief Mitte Oktober an und wies mich an, das Haus bewohnbar zu machen, was ich tat. Sie blieb drei Tage - der Ungar kam mit und bezog die Wohnung über der Garage -, dann fuhr sie wieder ab. Bevor sie das tat, rief sie mich an und sagte mir, ich sollte Dougie Tappert damit beauftragen, den Heizkessel zu überprüfen, und die Möbel nicht abdecken. »Jetzt, wo die Angelegenheiten meines Mannes endlich geordnet sind, werden Sie wesentlich mehr von mir zu sehen bekommen«, sagte sie. »Vielleicht sogar mehr, als Ihnen lieb ist, Dolores. Und ich hoffe, daß Sie auch die Kinder zu sehen bekommen werden.« Aber ich hörte etwas in ihrer Stimme, als sie das sagte, Andy - etwas, das mich glauben ließ, daß das mit den Kindern reines Wunschdenken war, sogar damals schon.
    Das nächste Mal kam sie gegen Ende November, ungefähr eine Woche nach Thanksgiving, und sie rief mich gleich an, wollte, daß ich im Erdgeschoß staubsaugte und oben die Betten frisch bezog. Die Laken, die ich schon aufgezogen hatte, waren natürlich völlig sauber, aber sauber war nicht genug für Mrs. Vera Donovan bei weitem nicht. Sie sagte, sie röchen muffig, und sie hätte nicht die Absicht, in muffigen Laken zu schlafen. Und ihre Kinder auch nicht, falls sie sich entschließen sollten, sich von dem loszureißen, was sie gerade taten, und zu ihr zu kommen.
    Ich konnte gleich kommen, weil um diese Jahreszeit nicht viel zu tun war für Leute von der Insel, die meine Art von Arbeit taten. Ich schleppte mich mit hängendem Kopf in einem kalten Regen zu ihr hinauf, und in meinem Verstand ging alles drunter und drüber wie seit dem Tag, an dem ich rausgefunden hatte, was mit dem Geld der Kinder passiert war. Mein Ausflug zur Bank lag fast einen Monat zurück, und seither hatte die Geschichte an mir gefressen, so, wie Batteriesäure ein Loch in die Kleider oder in die Haut frißt, wenn man einen Spritzer davon abkriegt.
    Ich konnte nicht richtig essen, konnte nicht

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