Dolores
ohnehin schon mehr als dreihundert Dollar davon durchgebracht - und von den dreitausend, die noch da waren) hatte ich mindestens zweieinhalbtausend selbst eingezahlt - ich hatte es verdient, indem ich Fußböden scheuerte und Fenster putzte und den ganzen Sommer hindurch die Laken dieses verdammten Luders Vera Donovan aufgehängt hatte sechs Klammern, nicht nur vier. Das war nicht so schlimm, wie es dann später im Winter wurde, aber es war trotzdem kein Honigschlekken, ganz und gar nicht.
Ich und die Kinder würden trotzdem verschwinden, dazu war ich fest entschlossen, aber der Teufel sollte mich holen, wenn wir das ohne einen Pfennig Geld taten. Meine Kinder sollten ihr Geld bekommen. Als ich zur Insel zurückfuhr und auf dem Vorderdeck der Island Princess stand, wo mir ein frischer Wind von der offenen See her ins Gesicht blies und mir das Haar von den Schläfen zurückwehte, wußte ich, daß ich das Geld wieder aus ihm herausholen würde. Das einzige, was ich nicht wußte, war, wie ich das anstellen sollte.
Das Leben ging weiter. Wenn man die Dinge nur oberflächlich betrachtet, sah es so aus, als hätte sich nichts geändert. Auf der Insel scheint sich nie viel zu ändern das heißt, solange man die Dinge nur oberflächlich betrachtet. Aber in einem Leben steckt viel mehr, als man von außen sehen kann; ich zumindest hatte das Gefühl, daß sich die Dinge im Innern in diesem Herbst von Grund auf geändert hatten. Die Art, auf die ich die Dinge sah, hatte sich verändert, und das war das Wesentliche. Ich rede jetzt nicht von meinem dritten Auge; um die Zeit, als Little Petes Papiergespenster abgenommen und seine Bilder von Putern und Pilgervätern aufgehängt worden waren, sah ich alles, was ich sehen mußte, mit meinen ganz normalen Augen.
Die gierige, schweinische Art zum Beispiel, auf die Joe Selena manchmal betrachtete, wenn sie ihren Bademantel anhatte, oder wie er ihren Hintern ansah, wenn sie sich bückte, um aus dem Schrank unter dem Ausguß ein Geschirrtuch herauszuholen. Die Art, wie sie einen großen Bogen um ihm machte, wenn er in seinem Sessel saß und sie das Wohnzimmer durchquerte, um in ihr Zimmer zu kommen; wie sie aufpaßte, daß ihre Hand nie mit seiner in Berührung kam, wenn sie ihm beim Essen eine Schüssel zureichte. Es bewirkte, daß mir das Herz wehtat vor Scham und Mitleid, aber es bewirkte auch, daß ich so wütend wurde, daß mir meistens speiübel war. Schließlich war er ihr Vater, sie hatte sein Blut in den Adern, sie hatte sein schwarzes irisches Haar und die gelenkigen kleinen Finger, aber seine Augen wurden jedesmal groß und rund, wenn sie eine ärmellose Bluse trug und ein Träger ihres Büstenhalters an ihrem Arm runterrutschte.
Ich sah auch, wie Joe Junior einen großen Bogen um ihn machte und auf seine Fragen keine Antwort gab, wenn er damit durchkommen konnte, und nur etwas murmelte, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Ich erinnere mich an den Tag, an dem Joe Junior mir seinen Aufsatz über Präsident Roosevelt zeigte, nachdem er ihn von der Lehrerin zurückbekommen hatte. Sie hatte ihm dafür eine Eins plus gegeben und vorn draufgeschrieben, daß es die einzige Eins plus war, die sie im Lauf von zwanzig Jahren für einen historischen Aufsatz gegeben hatte, und daß sie ihn für so gut hielt, daß er es verdiente, in einer Zeitung abgedruckt zu werden. Ich fragte Joe Junior, ob er versuchen wollte, ihn an den Ellsworth American oder vielleicht an die Bar Harbor Times zu schicken. Das Porto dafür würde ich gern bezahlen. Er schüttelte nur den Kopf und lachte. Es war kein angenehmes Lachen; es war hart und zynisch wie das seines Vaters. »Und damit riskieren, daß er mir im nächsten halben Jahr ständig im Genick sitzt?« fragte er. »Nein, besten Dank. Hast du noch nie gehört, daß Dad ihn Franklin D. Wichservelt nennt?«
Ich sehe ihn jetzt noch vor mir stehen, Andy, erst zwölf, aber schon fast einsachtzig groß, wie er da auf der Veranda stand, die Hände tief in den Taschen vergraben, und zu mir aufschaute, während ich seinen Aufsatz mit der Eins plus darauf in der Hand hielt. Ich erinnere mich an das winzige Lächeln in seinen Mundwinkeln. Es war keine Gutmütigkeit in diesem Lächeln, keine gute Laune, kein Glück. Es war das Lächeln seines Vaters; aber das hätte ich dem Jungen niemals sagen können.
»Von allen Präsidenten haßt Dad Roosevelt am meisten«, erklärte er mir. »Und genau deshalb habe ich mich für ihn entschieden, als die
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