Dolores
greifen, und er zog sie ganz schnell zurück.
»Du hast mir in der letzten Zeit verdammt viele Geschenke gemacht«, sagte er. »Zeug wie dieses können wir uns nicht leisten, ob mit oder ohne Finsternis.« Das hinderte ihn aber nicht daran, sein Messer aus der Tasche zu holen und die Kappe aufzuschneiden; es schien ihn nicht einmal aufzuhalten.
»Also, um die Wahrheit zu sagen, es ist nicht nur die Finsternis», sagte ich. »Mir war einfach so wohl zumute, daß ich etwas von meinem Glück mit dir teilen wollte. Und seit mir aufgefallen ist, daß das meiste von dem, was dich glücklich macht, offenbar aus einer Flasche kommt…«
Ich sah zu, wie er die Kappe entfernte und sich ein Glas voll einschenkte. Seine Hand zitterte ein bißchen, und das tat mir überhaupt nicht leid. Je zittriger er war, desto besser standen meine Chancen.
»Welchen Grund kannst du schon haben, dich wohl zu fühlen?« fragte er. »Hat jemand eine Pille gegen die Häßlichkeit erfunden?«
»Das ist ziemlich gemein gegenüber jemandem, der dir gerade eine Flasche erstklassigen Scotch gekauft hat«, sagte ich. »Vielleicht sollte ich sie dir wirklich wieder wegnehmen.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte er.
»Dann sei gefälligst ein bißchen netter«, sagte ich. »Was ist aus all der Dankbarkeit geworden, die du angeblich bei den Anonymen Alkoholikern lernst?«
Er ging nicht darauf ein, sondern sah mich weiter so an wie ein Verkäufer, der sich klarzuwerden versucht, ob ein Kunde mit einem falschen Zehner bezahlt hat. »Weshalb fühlst du dich so wohl?« fragte er wieder. »Es sind die Gören, stimmt’s? Daß sie aus dem Haus sind.«
»Nein, ich vermisse sie jetzt schon«, sagte ich, und das war die Wahrheit.
»Ja, das kann ich mir vorstellen«, sagte er und kippte seinen Drink. »Was ist es dann?«
»Das erzähl ich dir später«, sagte ich und stand auf. Er packte meinen Arm und sagte: »Ich will es gleich wissen. Du weißt genau, daß ich es nicht ausstehen kann, wenn du frech wirst.«
Ich schaute auf ihn runter und sagte: »Nimm deine Pfote von mir, sonst kann es passieren, daß diese teure Flasche Scotch an deinem Kopf zerbricht. Ich will mich nicht mit dir anlegen, Joe, vor allem heute nicht. Ich habe eine gute Salami im Haus, ein bißchen Schweizer Käse und ein paar Cracker.«
»Cracker!« sagte er. »So eine Schnapsidee!«
»Und wenn schon«, sagte ich. »Ich mache uns eine Platte mit hors d’ceuvres, genau so gut wie die, die Veras Gäste auf der Fähre bekommen.«
»Von so verrücktem Zeug kriege ich Läuse im Bauch «, sagte er. »Das kann mir gestohlen bleiben. Mach mir einfach ein Sandwich.«
»Also gut«, sagte ich. »Das mach ich.«
Jetzt schaute er hinaus aufs Wasser - vermutlich weil ich die Fähre erwähnt hatte -, mit vorgeschobener Unterlippe, wie es seine widerliche Art war. Inzwischen waren mehr Boote draußen als je zuvor, und es sah so aus, als hätte sich der Himmel über ihnen ein wenig aufgehellt. »Sieh dir das an!« sagte er auf seine höhnische Art, die nachzuahmen sich sein jüngster Sohn so sehr bemühte. »Und dabei passiert nichts anderes, als wenn sich eine Gewitterwolke vor die Sonne schiebt, und dieses Volk macht sich beinahe in die Hose. Ich hoffe, es regnet. Ich hoffe, es gießt in solchen Strömen, daß die hochnäsige Fotze, für die du arbeitest, darin absäuft, und alle anderen mit ihr.«
»Das ist mein Joe, wie er leibt und lebt«, sagte ich. »Immer heiter, immer liebenswürdig.«
Er drehte den Kopf und sah mich an, wobei er nach wie vor die Flasche Scotch an sich drückte wie ein Bär ein Stück Honigwabe. »Was in Herrgottsnamen hast du vor, Frau?«
»Gar nichts«, sagte ich. »Ich gehe jetzt rein und mache das Essen zurecht - ein Sandwich für dich und ein paar hors d’oeuvres für mich. Dann setzen wir uns hier hin und trinken ein paar Glas und sehen uns die Finsternis an Vera hat mir für jeden von uns einen Betrachter und so eine Reflektorbox mitgegeben - und wenn sie vorbei ist, dann erzähle ich dir, weshalb ich so glücklich bin. Es ist eine Überraschung.«
»Ich kann Überraschungen nicht ausstehen«, sagte er.
»Das weiß ich«, erklärte ich ihm. »Aber es ist wirklich eine tolle Überraschung. Du kommst nicht drauf, und wenn du dir tausend Jahre den Kopf zerbrichst.« Dann ging ich in die Küche, damit er mit der Flasche, die ich ihm mitgebracht hatte, richtig loslegen konnte. Ich wollte, daß er sie genoß - das wollte ich wirklich und wahrhaftig.
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