Domfeuer
– eine edle Spende war sicher das Letzte, was die Besucher damit im Sinn hatten.
Ein Grunzen aus einem der Schlafsäcke ließ Paulus zusammenzucken. Einer der Männer wälzte sich auf die andere Seite und ließ einen Arm über den Rand des Tuches hängen. Einen schwarzen Arm. Es war einer der Sänftenträger. Paulus’ Interesse war geweckt. Er wartete eine Weile, bis alle Männer wieder gleichmäßig schnarchten, dann gab er der Versuchung nach und schlich sich zu den Schlafsäcken. Im Licht der Talglampe betrachtete er die Haut. Auf Jahrmärkten hatte er schon Mohren gesehen, die dort ausgestellt waren, zum ersten Mal aber sah er einen aus dieser Nähe. Die Haut war nicht wirklich schwarz, eher braun wie eine dunkle Haselnuss. Paulus ging in die Hocke, um die Hand genau zu untersuchen. Die Innenseite war rosig wie seine eigene Hand. Er streckte zwei Finger aus, um die fremdartige Haut zu berühren, zog sie im letzten Augenblick aber wieder zurück. Bloß kein unnötiges Wagnis eingehen.
Er tastete sich weiter nach achtern, weg von der Mannschaft, hinein in die Dunkelheit, und stieg über Steine, die im Kiel als Ballast ausgelegt waren. Als er den Kopf einziehen musste, ahnte Paulus, dass er sich nun unter dem hinteren Kastell befand. Hier waren ebenfalls Säcke untergebracht, aber auch einige Gerätschaften aus Holz. Paulus versuchte, sich durch Tasten eine Ahnung davon zu verschaffen, welchem Zweck sie dienen mochten. Aber die seltsame Konstruktion der Geräte erschloss sich ihm nicht.
Dann fühlte er feines Tuch. Er zog es ein Stück ins Licht und erkannte es sofort. Es war der Stoff der Sänfte. Zwei große Stangen lagen ebenfalls da, auch das Kastengehäuse, jedoch zusammengeklappt. Die prächtige Sänfte war nicht mehr als ein billig zusammengezimmertes Holzgebilde. Oder hatten die Herren von Madras wegen der langen Reise eine besonders platzsparende Anfertigung bauen müssen?
Paulus wollte sein Glück nicht herausfordern und trat den Rückzug an. Er hatte genug gesehen. Dieses Schiff war nicht das, was es vorgab zu sein, zumindest kein Schiff von frommen und großzügigen Pilgern. Flink und leise kletterte er die Leiter wieder hoch, kroch durch die Luke und –
– sah den Umriss eines Hünen, der breitbeinig über ihm stand.
Nox.
»Na, sieh mal einer an, wer uns besucht. Da hätte ich mir ja all die weiten Wege sparen können.«
Mit einer seiner Pranken packte er Paulus am Kragen und zog ihn unsanft das letzte Stück hoch aufs Deck.
»Und? Etwas Interessantes gefunden?«
Nox schlang seine andere Hand um Paulus’ Hals und drückte zu. Es war ein Gefühl, als würde sein Kehlkopf gleich zerquetscht. Paulus wollte schreien, doch er bekam keinen Laut heraus.
»So schweigsam? Das liegt bei euch wohl in der Familie. Aus euch ist kein vernünftiges Wort herauszubringen.«
Nox wirbelte Paulus durch die Luft wie einen Lappen und warf ihn auf den Rücken. Krachend donnerte er aufs Deck und spürte schmerzhaft die Luke unter seinem Rücken. Der Riese schwang sich über ihn und presste seine Knie auf Paulus’ Oberarme. An seine Waffe konnte er so nicht gelangen. Unter Deck waren Stimmen zu hören. Die Besatzung war geweckt.
»Mut hast du, das muss ich dir lassen. Oder sagen wir lieber, Übermut. Diese Torheit wird dich dein Leben kosten.«
Noch immer drückte eine Hand fest gegen Paulus’ Hals. Als Nox in sein Gewand griff, um einen Panzerbrecher hervorzuziehen, wollte Paulus schon die Augen schließen und bereitwillig den Tod empfangen. Doch dann sah er hinter Nox eine Gestalt, die sich schnell bewegte. Nox gab ein Ächzen von sich und kippte vornüber. Der Panzerbrecher kullerte über die Planken.
»Mist, falsche Seite.« Jenne stand an Deck und schaute das Beil in ihrer Faust an. »Ich hab das stumpfe Ende erwischt.«
Paulus versuchte, sich unter dem massigen Körper hervorzuquälen. Doch Nox war nicht bewusstlos, nur benommen. Schnell hatte er seine Sinne wieder beisammen und war auf den Füßen.
»Schlag zu!«, rief Paulus, der bereits wieder Nox’ Schuh auf seiner Brust spürte und zu Boden gepresst wurde. Auch von unten bekam er Druck. Einer der Schiffsleute versuchte, an Deck zu kommen, doch Paulus lag genau auf der Luke.
Jenne hob die Hand mit dem Beil, aber Nox packte ruppig ihr Handgelenk. Sie verzog vor Schmerz das Gesicht.
»Noch mehr Besuch? Wie nett von dir, die kleine Hure mitzubringen. Das könnte ja doch noch eine angenehme Nacht werden.« Nox wandte sich zu Paulus um, der
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