Domfeuer
Nase.
»Verflucht, verflucht, das wird knapp. Hoffentlich reicht der Aufprall aus.«
Ein Stöhnen ließ Barthel herumfahren. Es drang von der Rückseite des Mühlhauses zu ihnen aufs Dach. Er lief zur Kante und sah hinunter. Bärbel hockte gekrümmt auf dem kurzen Plankenstreifen hinter der Holzwand, gleich neben dem Wasser. Sie hatte es nicht geschafft, die Mühle zu verlassen.
»Bärbel, um Himmels willen, was ist mit dir?«
Sie sah mit verzweifeltem Blick zu ihm hoch. Mit beiden Händen hielt sie sich ihren Bauch. Ihr Rock war nass. »Ich glaube, das Kind kommt.«
»Wir müssen runter von der Mühle«, rief der Büttel. »Wir stoßen gleich zusammen!«
Das Heck des Schiffes erhob sich über der Mühle. Und mit jedem Wimpernschlag wurde der Umriss größer.
Paulus stieß Jenne leicht an und deutete mit dem Kinn über die Brüstung auf der Backbordseite. Sie sah hinunter und zuckte sogleich zurück. An ihren weit aufgerissenen Augen erkannte er, dass sie die Summus entdeckt hatte.
»Mach dich fertig zum Springen«, flüsterte er ihr zu. Sie nickte. Paulus drehte dem Fluss den Rücken zu, um Brunos oder Nox’ Aufmerksamkeit nicht auf die Mühle zu lenken.
Nox überließ dem Mohren die Ruderpinne, der die Kogge nach Backbord Richtung Hafenmauer steuerte, genau in den Kurs der Summus. Der Hüne gab Befehl, die Hohlgeschosse und das Segel in Brand zu setzen. Unter den Augen Brunos übernahm er es selbst, die Katapulte auf dem Achterkastell feuerbereit zu machen. Als er an die Blide an der Backbordbrüstung trat, fing Paulus zu husten an. Er keuchte und schlug sich an die Brust, er schnappte nach Luft und hielt sich an der Brüstung fest. Nox sah die Summus trotzdem. Sie trieb auf die Kogge zu und würde im nächsten Augenblick gleich unter ihm gegen das Heck prallen.
»Wenden!«, schrie er dem Mohren am Ruder zu. »Wenden! Raus auf den Rhein!«
Der Rudergänger begriff schnell. Er zog mit aller Kraft an der Pinne, worauf die Kogge ächzend ihren Kurs korrigierte. Doch sie war zu langsam. Nox sprang dazu und stemmte seinen massigen Körper gegen das Ruder.
Paulus stellte sich wieder an die Brüstung. Die Summus kam näher und näher – und gab der Kogge nur einen leichten Stoß. Paulus brauchte sich noch nicht einmal festzuhalten, um das Gleichgewicht zu halten. Auf der Mühle wurde kein Mehl aufgewirbelt. Dann spürte Paulus eine schwere Hand auf seinem Nacken.
»Das habt ihr euch so gedacht.« Nox riss ihn herum und warf ihn auf den Plankenboden. Der Schlächter wandte sich Bruno zu, der sich an der Brüstung vor dem Mitteldeck festhielt. »Herr Bruno, es ist kein guter Einfall, diese Würmer am Leben zu lassen. Sie machen uns nichts als Ärger. Das war die Mühle seines Bruders, die uns gerade beinahe gerammt hat.«
Bruno zeigte mit seiner knochigen Hand auf das Segel. Guido hatte es wie abgesprochen in Brand gesetzt. »Nein. Ans Ruder! Wir müssen zusehen, dass wir das Schiff in den Hafen bekommen, bevor wir noch an Köln vorbeitreiben und alles vergebens war.«
Nox schenkte dem am Boden liegenden Paulus einen Blick, der zweifellos als Warnung aufzufassen war, und half dann dem Rudergänger, die Pinne wieder in die alte Position zu bringen. Die Mohren bezogen ihre Stellung an den Katapulten. Bruno trat an die Bordwand, um den Untergang Kölns zu genießen. Auf dem tiefer gelegenen Mitteldeck taten es ihm Otto und Guido nach.
»Aus und vorbei«, flüsterte Paulus Jenne zu, als er sich von den Planken aufgerappelt hatte. »Barthel hat seine Mühle geopfert, um diese Irren aufzuhalten, und er ist gescheitert.«
»Wir müssen von diesem Schiff runter.«
»Ich weiß.«
»Und wenn wir einfach über Bord springen? Jetzt?«
Paulus sah ihr fest in die Augen. »Dann müssen wir schnell sein. Nox beobachtet uns und wartet nur auf die rechte Gelegenheit, um uns ins Jenseits zu befördern. Auf drei?«
»Auf drei.«
»Dann los. Eins …«
»Das Manöver hat uns wertvolle Zeit gekostet«, rief Nox in diesem Moment Bruno zu. Er ging an Paulus und Jenne vorbei zu seinem Herrn. »Wir werden die Kogge erst im unteren Teil des Hafens in die Schiffe fahren lassen können, bei den Niederländern.«
Paulus zögerte.
»Zähl weiter«, flüsterte Jenne.
Paulus schöpfte Hoffnung. »Was ist, wenn Bruno recht hat? Was, wenn das, was hier geschieht, wirklich Gottes Wille ist?«
»Dann sollten wir umso schneller abspringen.«
»Nein, nein – was, wenn es Gottes Wille ist, dass wir die Mailänder
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