Don Camillo gibt nicht auf
Schließlich faßte er einen Entschluß und stürmte die Treppen hinauf. Der große, staubige Dachboden war vollkommen dunkel, aber Don Camillo brauchte kein Licht, um zu finden, was er suchte.
Tatsächlich fand er rasch den Kamin, der zum Dachfirst hochging. Und er fand den berühmten Ziegel, den man rechts hineindrücken und dann am linken Ende herausziehen konnte. Nachdem er ihn weggenommen hatte, fuhr Don Camillo mit dem Arm in das Loch und tastete mit der Hand, bis er den Nagel zwischen den Fingern spürte. Am Nagel war ein Eisendraht befestigt. Er löste ihn und begann daran zu ziehen, wobei er mit der anderen Hand nachhalf. Schließlich fühlte er das längliche Paket.
Nachdem er es herausgezogen und den Inhalt ausgepackt hatte, ging er hinunter und schloß sich in seinem Zimmer ein, um nachzuprüfen, ob noch alles in Ordnung war. Dann nahm er seinen Umhang und verließ das Haus.
Er ging am Zaun des Pfarrgartens vorbei und nahm den Weg über die Felder. Als er das Wäldchen am Kanal erreicht hatte, wartete er darauf, daß es Mitternacht schlug.
Und als Schlag zwölf die Leute überall anfingen herumzuknallen, um das alte Jahr zu verabschieden, schoß auch er, im Abstand von ein paar Sekunden, einen Schuß nach dem anderen.
Dann marschierte er auf die Polizeistation.
Der Polizeichef war noch auf, und sobald Don Camillo ihn sah, sagte er:
«Hier ist das Ding, das Sie Maschinenpistole nennen. Fragen Sie mich nicht, woher es kommt, noch, wer es mir gegeben hat.»
«Ich frage Sie gar nichts», antwortete der Polizeichef. «Ich beschränke mich darauf, Ihnen für Ihre Hilfe zu danken. Ein gutes neues Jahr!»
«Ein gutes neues Jahr auch Ihnen und Ihrem inneren Polizisten», murmelte Don Camillo, zog den Umhang fester um sich und ging hinaus.
Aber es vergingen keine zehn Minuten, bis die Glocke der Polizeistation von neuem läutete. Der Maresciallo ging selbst, um zu öffnen, und beim Öffnen fiel ihm etwas Massives, Schweres, das von außen an die Tür gelehnt war, entgegen. Der Polizeichef hob den Gegenstand auf, an dem mit Draht ein Schild befestigt war.
Und auf diesem Schild stand mit Buchstaben, die aus der Zeitung ausgeschnitten und aufgeklebt worden waren: Maschinenpistole, schuldig, einem Maresciallo das Leben gerettet zu haben.
«Am Stil erkennt man den Mann», sagte der Polizeichef grinsend zu sich selbst.
Dann legte er das Ding neben das andere, das kurz zuvor Don Camillo gebracht hatte, breitete die Arme aus und rief - ohne sich darum zu kümmern, ob das auch die Meinung des verstorbenen Togo gewesen sein könnte: «Zuviel der Gnade, heiliger Antonius von Padua!»
Die «Flughühner»
Zur Feier des neuen Jahres hatte sich Don Camillo etwas Großartiges ausgedacht. Großartig, aber doch auch wieder ganz einfach, da sich sein Programm in die wenigen Worte fassen ließ: «Zu Neujahr jedem Armen ein Huhn im Topf!»
Und mit diesem Slogan hatte Don Camillo klugerweise schon zwei Wochen vor Neujahr seine Sammeltour gestartet.
Jeder Hof wurde besucht. Jeder Grundbesitzer, jeder Pachtbauer der Pfarrei lauschte den Worten Don Camillos mit großer Aufmerksamkeit, und keiner unterließ es, zum Schluß den edlen Eifer des Pfarrers zu loben.
Unglückseligerweise hatte jedoch auf vielen Höfen eine Seuche im Hühnerstall gewütet, auf anderen hatten die Pflichtabgaben zu Weihnachten den Hühnerbestand aufs äußerste reduziert, und auf wieder anderen war die geringe Zahl an verfügbarem Federvieh bereits verkauft worden.
Resultat: Am 30. Dezember hatte Don Camillo mit Müh’ und Not sechs Hühner zusammengebracht - und er brauchte mindestens dreißig.
Don Camillo ging, um seine Not Christus am Hochaltar anzuvertrauen:
«Jesus», sagte er, «ist soviel Egoismus überhaupt denkbar? Was ist denn schon ein Huhn für einen, der so viele hat?»
«Es ist ein Huhn», erwiderte Christus traurig.
Don Camillo riß die Arme hoch und rief entrüstet: «Jesus, ist es denn möglich, daß die Menschen nicht begreifen, wie schön solch ein kleines Opfer sein kann, das soviel Freude bereitet?»
«Don Camillo, es gibt zu viele Menschen, für die jedes Opfer groß ist, zu vielen Menschen geht ihre eigene Freude über alles. Und für zu viele Menschen liegt die Freude darin, nichts von ihrem eigenen Überfluß herzugeben.»
Don Camillo geriet aus der Fassung.
«Jesus», sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, «wenn du diese Menschen so gut kennst, warum behandelst du sie dann nicht, wie sie es verdienen? Warum
Weitere Kostenlose Bücher