Don Camillo gibt nicht auf
schauten Don Camillo an, und als dieser sich so unmittelbar angesprochen fühlte, hob er die Schultern und sagte: «Herr Bürgermeister, wenn der Kranke, den es zu retten galt, zufällig ein Kind war, dann konnte man keinen Erwachsenen retten.»
«Ach was, retten! Das Kind war gar nicht so schwer krank.»
«Wenn Sie das als Fachmann behaupten, dann sage ich nichts weiter», erwiderte Don Camillo.
Peppone regte sich auf: «Ich bin kein medizinischer Fachmann. Aber die Sachverständigen haben erklärt, daß man das Medikament im Nu aus Holland hätte herkriegen können, ohne diesen Zirkus mit den Non-stop-Flügen über den Atlantik zu veranstalten.»
«Ich verneige mich vor dem Sachverstand der Sachverständigen. Und ich würde Ihnen, Herr Bürgermeister, völlig Recht geben, wenn da nicht eine Kleinigkeit wäre, die Ihre sachverständigen Genossen übersehen haben: Um gesund zu werden, benötigte das Kind weder eine ausgesuchte Milchkuh noch eine Windmühle, sondern ein ganz bestimmtes Globulin, das es nur im Gesundheits-Department von Michigan gibt. Und das hat weder etwas mit Kühen noch mit Windmühlen noch mit dem holländischen Globulin Gamma zu tun. Was man brauchte, war genau das amerikanische Globulin, und wie soll man es da dem amerikanischen Botschafter vorwerfen, daß er nicht nach Holland jemanden geschickt hat, sondern nach Amerika?»
Peppone schüttelte seinen Dickschädel mit belustigtem Grinsen: «Lirum, larum! Wenn denen nichts mehr einfällt, kramen sie ihr bißchen Latein aus, kommen einem mit Alpha, Gamma und Omega, und wer nicht Latein gelernt hat, hält den Mund.»
«Selbst wenn», warf Don Camillo höflich ein, «dann handelt es sich hier um Griechisch, nicht um Latein, Herr Bürgermeister. Doch ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß das oben erwähnte Globulin nicht von den Pfarrern so getauft wurde. Das fällt in den Kompetenzbereich der Naturwissenschaftler.»
Peppone klammerte sich an den Strohhalm, den ihm die sowjetische Vorsehung hinstreckte:
«Aber die Geschichte mit der Madonna, die dem kranken Kind im Traum erscheint, die fällt allein in den Kompetenzbereich der Pfarrer, Hochwürden! Und das werden Sie wohl zugeben müssen: Wenn die Naturwissenschaftler das Globulin Gamma erfunden haben, dann haben sich die Geschichte von der Madonna, die dem Kind im Traum erscheint, allein die Pfarrer ausgedacht.»
Don Camillo blickte Peppone erstaunt an: «Herr Bürgermeister, der Klerus hat keinerlei Möglichkeit, sich in Träume einzumischen, weder bei Kindern noch bei Erwachsenen. Kinder und Erwachsene träumen, was und wann sie wollen.»
«Aber», brüllte Peppone, der anfing, aus der Fassung zu geraten, «während das Flugzeug auf Rechnung der Spekulanten-Propaganda aus Amerika über den Atlantik fliegt: wovon träumt da dieses Kind, das träumen kann, was es will? Von der Madonna! Es träumt, daß die Madonna kommt und es holt, es ins Paradies bringt und ihm Jesus zeigt, und Jesus erklärt ihm, daß mit Hilfe der Signora Clare Luce und der Vereinigten Staaten alles wieder gut werden wird.»
Don Camillo breitete die Arme aus: «Herr Bürgermeister, und wovon hätte Ihrer Meinung nach dieses Kind träumen sollen? Von Lenin, der es in den Kreml bringt, wo ihm Stalin dann den Fünfjahresplan erklärt?»
Einer in der Gruppe kicherte, und Peppone geriet noch etwas mehr aus der Fassung.
«Drehen wir die Dinge nicht ins Politische, Hochwürden!» rief er. «Auf jeden Fall hüten wir uns, einem Kind Träume dieser Art zuzuschreiben! Erstens, weil wir ein Kind nicht für politische Machenschaften ausnützen, und zweitens, weil wir es nicht nötig haben, mit Märchen zu operieren ...»
«Und drittens, weil sowieso keiner daran glauben würde», schloß Don Camillo seelenruhig.
«Und an Eure Märchen glaubt jemand?»
«Es sieht so aus, Herr Bürgermeister. Es gibt Leute, die nicht nur an das Märchen vom Paradies glauben, sondern sich sogar so verhalten, daß sie sich das Paradies verdienen. Sie führen ein anständiges Leben und sind immer heiter, weil sie auf die Göttliche Vorsehung vertrauen.»
Peppone schob seinen Hut nach hinten und stemmte die Fäuste in die Hüften.
«Die Göttliche Vorsehung!» rief er. «Weil die Ampullen aus Amerika gekommen sind, darf man hier von der Göttlichen Vorsehung sprechen. Wären sie dagegen aus Rußland gekommen, dann würde Hochwürden nicht mehr von der Göttlichen Vorsehung, sondern von einem Teufelswerk reden.»
Don Camillo schüttelte
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