Don Camillo gibt nicht auf
ihm mit äußerst bedrohlicher Stimme geantwortet worden: «Ja, warum?»
Und wenn dieser Fremde dann nach seiner Rückkehr in den Hauptort einem dortigen Einheimischen verwundert von der merkwürdigen Aufnahme erzählt hätte, die er in La Palanca erfahren hatte, wäre ihm lachend geantwortet worden: «Na klar! Die von La Palanca, das sind doch die, die den Kirchturm wegrücken wollten!»
In der italienischen Volksüberlieferung gibt es fünf oder sechs unselige Geschichten, die sich seit Jahrhunderten vom äußersten Norden bis zum äußersten Süden behaupten. Geschichten, in denen jeweils ein ganzes Dorf die Hauptrolle spielt und von denen jede dazu dient, ein ganzes Dorf lächerlich zu machen.
«Die aus X, das sind doch die, die eine Uhr mit dreizehn Stunden auf den Kirchturm malen ließen!»
«Die aus Y, das sind doch die, die das Bronzedenkmal auf der Piazza mit Sand blankpoliert haben.» Und so weiter.
Denn es steht fest, daß es in jeder Gegend und in jedem Sprengel ein «dummes Dorf» geben muß. Und tatsächlich gibt es das auch.
In neunundneunzig von hundert Fällen handelt es sich dabei um ein Dorf, das nie etwas getan hat, was die Bezeichnung rechtfertigen würde, die die Nachbardörfer ihm angehängt haben, und in neunundneunzig von hundert Fällen besteht die Schuld des unglücklichen Dorfes einzig und allein darin, daß es einen komischen Namen hat, einen Namen, der vom Gewohnten ab weicht.
La Palanca («Die Planke») hatte den komischsten Namen unter den Ortschaften der Gegend, und so mußte es die Rolle des Dorfes übernehmen, das den Kirchturm wegrücken wollte. «Die von La Palanca, das sind doch die, die den Kirchturm wegrücken wollten», erzählen sich die Leute. «Und damit er besser rutschte, hatten sie um den Turm herum Stroh ausgelegt, ehe sie mit dem Schieben anfingen. Und da sie mit den Füßen auf dem Stroh rutschten, kam es ihnen vor, als bewege sich der Turm, und sie schrien: .»
Eine blöde, eine kindische Geschichte. Aber es sind genau diese verqueren Geschichten, die die Leute mögen. Und ist eine solche Geschichte einmal jemandem angehängt worden, dann wird er sie nicht mehr los.
So war es auch La Palanca ergangen, und seit hundert und mehr Jahren litt es unter dem «Strohkomplex».
Als einmal eine Schar Lausbuben aus dem Hauptort während des Karnevals mit einem Wagen, auf dem nichts als Strohballen lagen, in La Palanca eingefahren waren, war es zu einem schrecklichen Zusammenstoß gekommen, und einige Leute hatten sich ihren Schädel im Krankenhaus zusammenflicken lassen müssen.
Von allen kleinen Ortschaften in Peppones Verwaltungsbereich war La Palanca zweifellos die tristeste. Die Leute aus La Palanca, selbst die vernünftigsten und geistreichsten, litten insgeheim an dem «Strohkomplex», der nichts anderes war als ein ausgewachsener Minderwertigkeitskomplex .
Und so waren die ehemals herzlichen und fröhlichen Menschen mißtrauisch und griesgrämig geworden.
«Sie sind aus La Palanca?»
«Ja, warum?»
In jedem Fremden, der sich mit La Palanca beschäftigte, witterten die Palanchesen sofort einen Provokateur. Und in einem Fremden, der sich nicht mit La Palanca beschäftigte, witterten sie einen potentiellen Provokateur, so daß sie schließlich jeden, der nicht aus ihrem Dorf stammte, mit Mißtrauen und Feindseligkeit betrachteten.
La Palanca war das schwermütigste Dorf der ganzen Gegend geworden. Und das eintönigste dazu, denn obwohl es auch unter den Palanchesen Leute mit Schwung und Organisationstalent gab, organisierte keiner etwas und keiner brachte etwas in Schwung.
Sie fühlten ständig Tausende von Augen auf sich gerichtet und wußten, daß Tausende von «Auswärtigen» sich höhnisch freuen würden, wenn irgend etwas, das die Palanchesen organisierten, schief ginge.
Die verhaßtesten «Auswärtigen» waren natürlich die aus dem Hauptort. Die spielten sich schon fast wie Städter auf und wirkten daher in den Augen der Bauern von La Palanca noch sarkastischer und überheblicher.
Außerdem spielten natürlich die Mädchen dabei eine Rolle: die Mädchen aus dem großen Dorf, die den Burschen aus La Palanca sehr gefielen, aber ihnen ins Gesicht lachten, sobald sie sich als Bewohner von La Palanca zu erkennen gaben. «Ach, einer von denen, die den Kirchturm wegrücken wollten?» riefen dann die «Städterinnen» aus dem Hauptort.
Die Burschen von La Palanca waren gezwungen, ihren Herkunftsort geheimzuhalten. Aber auch
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