Don Camillo und Peppone
geschaffen würde.»
«In Ordnung», sagte er. «Auch Bischöfe können zu Fuß gehen.»
Noch am selben Abend sprach er mit umflorter Stimme in der Kirche und beschwor die Gläubigen, Ruhe zu bewahren und sich darauf zu beschränken, Gott zu bitten, daß er den Geist des Bürgermeisters erleuchte, um eine unangenehme Beeinträchtigung der kommenden Zeremonie und eine Auflösung der Prozessionsordnung durch die Notwendigkeit, einzeln den Graben zu passieren, zu vermeiden. Es sei außerdem notwendig, Gott zu bitten, daß der improvisierte Steg nicht einstürze und aus einem Tag der Freude ein Tag der Trauer werde.
Diese außerordentlich perfide Rede hatte zur Folge, daß alle Frauen sich nach der Abendandacht vor Peppones Haus in hellen Haufen versammelten und ihm immer wieder solche Dinge sagten, daß Peppone schließlich am Fenster erschien und schrie, sie mögen alle zum Teufel gehen, der Graben werde ohnedies noch vor Sonntag zugeschüttet werden.
So ging alles in bester Ordnung, aber Sonntag früh waren die Straßen von bedruckten Flugblättern bedeckt.
«Genossen!
Die Reaktion hat den Beginn der öffentlichen Arbeiten in unserer Gemeinde zum Vorwand genommen, einen unwürdigen Lärm vor dem Hause unseres Bürgermeisters zu veranstalten, was unsere demokratischen Gefühle verletzt.
Sonntag wird der Vertreter eines fremden Staates Gast unserer Gemeinde sein.
Es ist derselbe Vertreter, der indirekt der Anlaß der unwürdigen Rauferei war.
In Anbetracht eurer Erbitterung und eurer Empörung sind wir darauf bedacht, an diesem Sonntag jede Demonstration zu vermeiden, welche die Beziehungen mit dem Ausland stören könnte, und rufen euch darum auf, euch darauf zu beschränken, diesen Vertreter eines fremden Staates mit würdevoller Gleichgültigkeit zu empfangen.
Es lebe die demokratische Republik! Es lebe das Proletariat! Es lebe Rußland!»
Das Ganze wurde freundlich unterstrichen durch eine allgemeine Mobilmachung der Roten, die – man konnte es auf den ersten Blick sehen – die besondere Aufgabe hatten, hin- und herzuspazieren und nicht nur ihre roten Halstücher und Krawatten, sondern auch «würdevolle Gleichgültigkeit» zur Schau zu tragen.
Don Camillo, totenblaß, mußte schnell durch die Kirche und wollte schon verschwinden. «Don Camillo!» rief ihn Christus an. «Warum hast du es so eilig?»
«Ich muß den Bischof auf der Landstraße empfangen», erklärte Don Camillo. «Es ist ein schönes Stück von hier entfernt. Außerdem ist die Straße voll von Leuten mit roten Halstüchern und, wenn mich der Bischof nicht sieht, wird er sich in Stalingrad wähnen.»
«Sind diese Leute mit rotem Halstuch Fremde oder Andersgläubige?»
erkundigte sich Christus.
«Nein, es sind die üblichen Schufte, die Du sogar von Zeit zu Zeit hier in der Kirche siehst.»
«Wenn dem so ist, Don Camillo, ist es besser, du gibst das Zeug, das du dir unter der Kutte angebunden hast, wieder in den Kasten der Sakristei zurück.»
Don Camillo zog unter dem Talar die Maschinenpistole heraus und trug sie schön folgsam in die Sakristei zurück.
«Du darfst sie nur auf meinen ausdrücklichen Befehl nehmen», befahl Christus und Don Camillo zuckte mit den Achseln.
«Wenn ich darauf warte, die Maschinenpistole nehmen zu dürfen, sind wir erledigt!» rief er. «Du wirst es mir nie sagen. Ich muß gestehen, oft ist das alte Testament ...»
«Weg, du Reaktionär!» sagte lächelnd Christus. «Während du tratschst, ist der arme, alte und wehrlose Bischof der dämonischen roten Furie ausgeliefert.»
Tatsächlich war der arme, alte und wehrlose Bischof der Gewalt der roten Menge ausgeliefert. Bereits seit sieben Uhr früh hielten die Gläubigen die beiden Straßenseiten besetzt, zwei lange und ansehnliche Mauern der Begeisterung. Wenige Minuten aber vor der Ankunft des bischöflichen Wagens, das heißt, sobald Peppone den Rauch einer Signalrakete sah, mit der ein Vorposten die Nähe des Feindes signalisierte, gab er den Befehl zum Angriff, und mit blitzartigem Manövrieren rückten die roten Truppen einen halben Kilometer vorwärts, so daß der Bischof bei seiner Ankunft zuerst einmal eine gänzlich von Leuten mit rotem Halstuch beherrschte Straße erblickte. Von Leuten, die hin- und herspazierten oder in kleinen Gruppen stehend plauderten. Sie benahmen sich, als ob überhaupt kein Auto auf der Straße wäre, so daß dieses nur im Schrittempo vorwärts kam und sich nur mühsam und mit Hilfe der Hupe den Weg bahnte. Es war
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