Don Camillo und Peppone
wahrhaftig die Demonstration der «würdevollen Gleichgültigkeit», wie sie der Generalstab gewünscht hatte. Peppone und die anderen, vermischt mit der Menge, strahlten vor Freude.
Der Bischof (der uns schon bekannte Bischof, greisenhaft, wie ein Kind und ganz weiß und gebeugt, der, wenn er sprach, nicht den Eindruck machte, daß er sprechen würde, sondern als ob eine Stimme aus einem anderen Jahrhundert redete) sah sofort diese «würdevolle Gleichgültigkeit» und sagte zum Wagenlenker, er solle stehenbleiben. Und als der Wagen stehenblieb (es war ein offener Wagen), tat er, als ob er die Türklinke bewegen wollte, um auszusteigen. Man sah aber, daß er nicht genug Kraft dazu hatte, und Brusco, der in der Nähe war, fiel aus seiner Rolle, und als er dies bemerkte, weil ihm Peppone einen Fußtritt gab, war es schon zu spät, er hatte bereits die Wagentür geöffnet
«Danke, mein Sohn», sagte der Bischof. «Es wird besser sein, ich gehe zu Fuß weiter.»
«Es ist aber weit», stotterte Bigio, der auch pünktlich den Tritt in die Schienbeine erhielt.
«Das macht nichts», antwortete lächelnd der Bischof. «Ich habe nicht die Absicht, irgendwie Ihre politischen Versammlungen zu stören.»
«Es ist keine politische Versammlung», erklärte finster Peppone. «Es sind Arbeiter, die ruhig miteinander plaudern. Bleiben Sie ruhig im Auto!»
Inzwischen war aber der alte Bischof bereits ausgestiegen, und Brusco bekam einen zweiten Fußtritt, weil er nicht zuschauen konnte, wie der arme Alte so unsicher auf den Beinen stand, und ihm daher seinen Arm bot.
«Danke, danke, mein Sohn», sagte der Bischof. Und er machte sich auf den Weg, nachdem er seinem Sekretär gewinkt hatte, daß er zurückbleiben solle, da er selbst allein weitergehen wolle.
So gelangte er zu der von den Truppen Don Camillos besetzten Zone, gefolgt von der finsteren und schweigenden roten Horde, und in der ersten Reihe schritt neben dem Bischof Peppone mit seinem Stab und mit seinen Getreuesten, weil, wie er ganz richtig zu seinen Leuten gesagt hatte, es genügt hätte, daß ein Idiot irgendwelche dumme Geste gegenüber «dem da» mache, um der Reaktion die Möglichkeit zu den schmutzigsten Verleumdungen der Weltgeschichte zu geben.
«Der Befehl ändert sich nicht und wird sich nicht ändern», schloß er.
«Würdevolle Gleichgültigkeit.»
Don Camillo eilte zum Bischof.
«Monsignore», rief er aufgeregt, «verzeihen Sie mir, schuld bin aber nicht ich! Ich erwartete Sie hier mit allen meinen Gläubigen, aber im letzten Moment
...» «Mache dir nichts daraus», antwortete lächelnd der Bischof. «Nur ich bin schuld, weil ich aussteigen und einen kleinen Spaziergang machen wollte.
Wenn die Bischöfe alt werden, werden sie alle ein wenig verrückt.»
Die Gläubigen klatschten. Die Musikkapellen spielten, und der Bischof schaute zufrieden um sich.
«Es ist ein großer, schöner Ort», sagte er und schritt weiter. «Sehr schön, freundlich und sehr gut gehalten. Die Gemeindeverwaltung muß sehr tüchtig sein.»
«Man tut, was man kann, für das Wohl des Volkes», antwortete Brusco und empfing den dritten Fußtritt von Peppone.
Auf dem Platze angelangt, sah der Bischof den neuen Brunnen und blieb stehen. «Ein Brunnen hier in der Niederung!» rief er. «Man hat also Wasser gefunden!»
«Man muß nur zu suchen wissen, Eminenz», sagte Bigio, der sich am meisten um diesen Brunnen verdient gemacht hatte. «Wir haben dreihundert Meter Leitung legen müssen, und dann war mit Gottes Hilfe das Wasser da.»
Bigio steckte den obligaten Tritt ein, und der Bischof stand jetzt vor dem
«Haus des Volkes», sah das geräumige, neue Gebäude und erkundigte sich:
«Und was ist dieser Palast da?»
«Es ist das ‹Haus des Volkes›!» antwortete Peppone mit großem Stolz.
«Herrlich fürwahr!» rief der Bischof.
«Wollen Sie es nicht besichtigen?» sagte impulsiv Peppone, und ein Fußtritt von Format auf die eigenen Schienbeine ließ ihn geradezu aufspringen.
Versetzt hatte ihn Don Camillo.
Der bischöfliche Sekretär, ein magerer Jüngling mit Brille und mit einer großen Nase, stürzte zum Bischof, um ihn zu warnen, daß man das nicht tun dürfe und daß es ganz und gar unangebracht sei, der Bischof war aber bereits unterwegs und betrat das Gebäude. Man ließ ihn alles besichtigen, den Turnsaal, den Lesesaal, das Schreibzimmer und die Bibliothek. Er betrachtete die Bücherregale und las die Titel. Vor dem Regal «Politik», voll Propagandabücher
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