Don Camillo und Peppone
Filotti zufällig in die Nähe des Grenzzaunes kam. Dann pflegte er hinauszutreten und Flüche zu brüllen, die einer Eiche die Borke lösen konnten. Filotti steckte alles ein, schluckte die Galle herunter, merkte sich alles und wartete seine Zeit ab. So kam der Streik von 1908 und die Leute schienen verrückt geworden zu sein, so entschlossen waren sie, die Sache ernst zu nehmen. Natürlich befehdeten sie auch den Priester, der es mit den Besitzern hielt, und schrieben auf die Wände, daß es jeder bereuen werde, der den Mut hätte, in die Messe zu gehen. Der Sonntag kam, Filotti ließ den Stall durch Söhne und Verwandte bewachen, hängte seine Doppelflinte um und ging ruhig in die Messe. In der Sakristei fand er den alten Priester vor.
«Man hat mich allein gelassen», sagte der Priester. «Alle sind mir davongelaufen, sogar die Köchin und der Mesner. Sie sterben vor Angst.»
«Macht nichts», antwortete Filotti. «Wir machen es trotzdem.»
«Und wer ministriert mir?»
«Ich sorge schon dafür», antwortete Filotti.
Und so begann der alte Priester die Messe zu lesen und als Ministranten hatte er Filotti, der auf der Altartreppe kniete, unter dem Arm aber das Gewehr hielt.
Keine Seele war in der Kirche zu sehen und draußen schien alles ausgestorben zu sein.
Während der Wandlung, als der Priester die heilige Hostie erhob, ging das Kirchentor mit Krach auf. Der Priester schaute sich instinktiv um und sah eine stumme Menge im Kirchhof. In der Türe erschien Ciro von der Bruciata. Er hatte den Hut auf dem Kopf und die Zigarre im Mund.
Der Priester blieb mit der erhobenen Hostie wie versteinert stehen. Ciro blies eine Rauchfahne, zog den Hut in die Stirne, steckte die Hände in die Taschen und betrat die Kirche. Filotti läutete zuerst mit dem Glöckchen, dann zielte er und traf den Mann mit einem Schrotschuß.
Dann lud er wieder das Gewehr, läutete wieder mit dem Glöcklein, der Priester kam zu sich und fuhr mit der Messe fort. Im Kirchhof blieb nicht einmal eine Fliege.
Ciro war weder tot noch schwer verwundet. Er lag auf dem Boden ausgestreckt, weil er eine wahnsinnige Angst hatte, noch eine Schrotladung in den Körper zu bekommen. Als die Messe aus war, stand er auf und ging zum Doktor, um sich die Schrotkörner herausnehmen zu lassen, die aus der Hüfte ein richtiges Sieb gemacht hatten, und sagte nicht einmal muh. Nach einem Monat hatte er sich völlig erholt und rief eines Abends die vier ältesten Söhne zusammen. Jedem drückte er ein Gewehr in die Hand und ging hinaus.
Die große Maschine war unter Dampf, die vier Söhne machten ihr Eskorte.
Ciro bestieg sie, öffnete das Ventil, ergriff das Lenkrad und alles setzte sich in Bewegung.
Es gibt heute keine solche Dampfmaschinen mehr, weil sie die Benzintraktoren entthront haben: sie waren herrlich, den Straßendampfwalzen ähnlich, nur ohne Walze vorne; sie waren langsam, mächtig und leise. Sie dienten zum Dreschen und zum Roden von jungfräulichem Boden.
Der Marsch begann: über die Felder, auf das Haus der Filotti zu. Ein Hund sprang heraus, hatte aber nicht einmal Zeit zu bellen, schon hatte ihn ein Stockhieb erledigt. Der Wind war stark und die Maschine konnte sich bis auf vierzig Meter dem Haus der Filotti nähern, ohne daß es jemand bemerkt hätte.
Ciro wendete und der älteste Sohn nahm ein Ende des Stahlseiles, das um eine Winde gewickelt war, und während der Alte die Winde nachließ, ging jener langsam und unerbittlich auf den finsteren und stillen Hof zu. Die anderen folgten ihm mit dem Gewehr unter dem Arm. Er schritt bis zur stärksten Säule des Arkadenganges, legte das Seil um diese und kehrte im Laufschritt zurück.
«Fertig!»
Ciro band das Seil wieder fest, schaltete den Gang ein und das Erdbeben geschah. Er wickelte das Seil wieder um die Winde, ließ den Dampf pfeifen und kehrte heim.
Von den Filottis starb niemand. Drei Kühe kamen um und der halbe Bau stürzte ein, Filotti gab keinen Laut von sich.
Eine Rechnung unter ihnen; die Justiz hatte damit nichts zu schaffen.
Es kam zu keinen anderen derartigen Gewalttaten. Wenn es einen kleinen Zwischenfall unter den Kindern gab, verließen die beiden Häuptlinge das Haus und begaben sich langsam zum Grenzzaun, zur Stelle, wo der wilde Birnbaum stand. Die Familien folgten ihnen vollzählig und schweigend.
Zwanzig Meter vor der Grenze blieben die Angehörigen und das Gesinde schweigend stehen und die beiden Häuptlinge gingen weiter bis zum Birnbaum. Dort trafen sie sich,
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