Don Camillo und Peppone
blieb vor dem Großvater stehen, und der Alte richtete drohend den Finger auf sie.
«Es ist also wahr?» fragte er.
Das Mädchen senkte den Kopf
«Wie lange schon?»
«Ich kann mich nicht erinnern», antwortete das Mädchen. «Als er das Loch im Drahtnetz machte, waren wir beide noch ganz klein. Vier oder fünf Jahre.»
Der Alte hob die Arme zum Himmel.
«Dieser Lausbub hat also ein Loch im Zaun gemacht?» brüllte er.
«Ruhe!» rief Don Camillo. «Wer ist es, den Sie einen Lausbuben nennen?»
«Der Mariolino von der Bruciata.»
«Der?» brüllte Don Camillo und sprang auf.
«Jawohl, der, Don Camillo.»
Don Camillo kam auf das Mädchen zu.
«Dieser Sohn des Antichrist, Peppones verdammte Seele, dieser rote Verbrecher, dieser Räuber, der auf dem Platz Reden hält und das Volk aufwiegelt? Antworte, du Schamlose! Wie hast du dein Auge eines anständigen und gottesfürchtigen Mädchens auf diese Höllenbrut werfen können?»
«Wir waren Kinder», erklärte das Mädchen.
«Ja, das Loch im Zaun», stöhnte der alte Filotti.
Er stand langsam auf, kam auf das Mädchen zu und ohrfeigte es. Das Mädchen versteckte das Gesicht in den Händen, hob dann aber den Kopf.
«Wir werden heiraten», sagte sie mit harter Stimme.
Es vergingen etwa zwei Wochen; Don Camillo saß spät abends in seinem Lehnstuhl und las in seinem Brevier, als er am Haustor klopfen hörte. Er ging, um aufzumachen, und fand eine Frau mit einem schwarzen Tuch über dem Kopf. In der Dunkelheit erkannte er sie nicht, als sie aber sein kleines Arbeitszimmer betrat, sah er, daß es Gina von den Filottis war. «Was machst du denn zu dieser Stunde hier?» wunderte er sich.
«Ich komme heiraten», antwortete das Mädchen.
Don Camillo dachte an Lucia Mondella und begann zu lachen. «Na, und was ist denn mit Don Rodrigo?» rief er. «Wenn man heiraten will, muß man wenigstens zu zweit sein.»
«Da bin ich», sagte eine Stimme. Und Mariolino von der Bruciata trat ein.
Don Camillo ballte die Fäuste.
«Was hast du im Hause von einem Diener Gottes zu suchen, du Abgesandter des Kominferno?»
Mariolino nahm Ginas Arm. «Gehen wir», murmelte er, «habe ich dir denn nicht immer gesagt, daß diese Klerikalen vor lauter Politik einen Giftzahn bekommen haben?» Der junge Mann war zerzaust, das Haar fiel ihm in die Augen, und instinktiv warf er es nach hinten. Da sah man, daß er auf der Stirne eine lange Narbe hatte.
«Was hast du denn getan?» fragte Don Camillo.
Gina mischte sich ein, wutentbrannt. «Alle die Seinen zu Hause haben sich auf ihn gestürzt. Mit Fäusten haben sie ihn auf den Kopf geschlagen, mit Stühlen haben sie ihm den Rücken behandelt, weil uns eine Schlange nachspioniert hat und sah, wie wir uns das Zeichen gegeben haben. Sie sind alle verfluchte Bolschewiken, man müßte sie alle exkommunizieren.»
Mariolino faßte das Mädchen an der Schulter und zog es unter die Lampe, «So», grinste er wild, «die Meinen sind verfluchte Bolschewiken und die Ihren sind heilige Leute, voll Gottesfurcht. Schauen Sie her!»
Das Kopftuch war dem Mädchen auf die Schulter gefallen und beschattete nicht mehr das Gesicht, so daß man sehr gut die Spuren von Schlägen in ihrem Antlitz sah.
Sie sah aus, als hätte sie sich nicht mit einem Kamm gekämmt, sondern mit einem wasserscheuen Kater gerauft.
«Seit fünfzehn Tagen halten sie sie in ihrem Zimmer eingesperrt wie auf der Galeere. Und kaum haben sie bemerkt, daß sie mir ein Zeichen vom Fenster gab, haben sie sie geprügelt wie ein Hanfbündel. Ihr Filottis, ihr seid alle ein Schwärm von heuchlerischen Bigotten, falsch wie Judas», schrie der Jüngling.
«Und ihr von der Bruciata seid alle gottlästernde Verbrecher, Räuber ohne Gott und Gewissen!» erwiderte temperamentvoll das Mädchen.
«Stalin wird schon kommen und es euch einmal zeigen!» rief der junge Mann.
«Die Justiz wird kommen, und sie wird euch alle auf die Galeeren schicken.»
«Ich kann kaum erwarten, daß wir verheiratet sind, um dir die Augen auszukratzen!»
«Und ich kann kaum erwarten, daß du mein Weib bist, um dir dein freches Gesicht mit diesen Fäusten herzurichten!» erwiderte der Jüngling.
Don Camillo erhob sich.
«Wenn ihr jetzt nicht aufhört, dann befördere ich euch beide mit Fußtritten hinaus!» sagte er energisch.
Das Mädchen ließ sich auf einen Stuhl fallen, bedeckte das Gesicht mit den Händen und begann zu weinen.
«Was soll ich tun», seufzte sie, «ich Arme; die Meinen zu Hause wollen mich
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