Don Fernando erbt Amerika
reifen Mann zum Verwöhnen . Köberlein tastete nach einem Stift, als das Telefon klingelte.
»Ja, Köberlein.«
»Wir haben den Bürgermeister entführt«, sagte eine männliche Stimme.
»Is mir egal«, sagte Köberlein geistesabwesend und legte auf.
Wo war dieser dämliche Stift? Und was war überhaupt eine »verdorbene« Studentin? Er suchte auf seinem Schreibtisch, als allmählich die Worte des Anrufers in sein Gehirn einsickerten und sich dort zu einem sinnvollen Satz zusammenfanden.
Woher hatte der Mann die Nummer seines Arbeitszimmers? Er nahm den Hörer ab und rief zu seiner Sekretärin durch.
»Haben Sie eben jemanden in mein Zimmer durchgestellt?«
»Niemanden«, antwortete sie leicht beleidigt. »Sie wollten doch keine Anrufe.«
»Jaja, danke«, sagte Köberlein und legte wieder auf. Das war seltsam.
Das Telefon klingelte wieder. Köberlein nahm ab.
»Ja, Köberlein?«
»Geben Sie mir Ihren Chef, Sie Trottel. Wir haben den Bürgermeister entführt.«
»Ich bin der Chef und ich bin am Apparat. Wer sind Sie?«
»Der Entführer. Halten Sie jetzt mal die Klappe und hören Sie zu. Der Bürgermeister wird von uns gefangen gehalten, bis alle unsere Forderungen erfüllt worden sind. Falls das nicht binnen achtundvierzig Stunden geschieht, lassen wir ihn wieder … nee, stopp, was soll ich sagen, Boss? Ach ja. Falls das also nicht geschieht, erschießen wir ihn. Wir melden uns wieder, sobald Sie alles nachgeprüft haben.«
Es klickte. Köberlein stand da und fluchte leise vor sich hin. Es hatte ja so kommen müssen. Einmal, wenn er sich einen Tag schön machen wollte, passierte so was. Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass der Anrufer die Wahrheit gesagt hatte, aber trotzdem ließ er sich die Ermittlungsabteilung geben und fragte nach. Ein paar kurze Telefonate später war alles klar. Seit gestern Morgen hatte niemand mehr den Bürgermeister gesehen. ›Toll‹, dachte Köberlein etwas später, als ein Trupp Spezialisten sein Telefon an einen Computer anschloss. ›Vielleicht hätte ich einfach so tun sollen, als hätte ich den Anruf nie gekriegt.‹
Hinterher war er immer schlauer.
Im Gegensatz zu den übrigen 99 Prozent der Menschheit lernt eine bedauernswerte Minderheit nur durch nicht erfüllte Wünsche dazu.
Ein neuer Tag dämmerte über den Dächern Nürnbergs herauf. Ein richtiger Januartag, blau, klirrend kalt und sehr gut dazu geeignet, ihn in einem angenehm warmen Bett zu verbringen, nachdem man sich die ganze Nacht mit einem Außerirdischen um die Ohren geschlagen hatte. Christoph war, nachdem er sich spätabends endlich dazu durchgerungen hatte, Gilead zu glauben, mit ihm aus dem Büro nachHause gegangen. Vorsichtig hatte er die Tür geöffnet, festgestellt, dass sein Bruder offensichtlich mit Gisela verschwunden war, und sich mit Gilead in die Küche gesetzt. Nach dem dritten Bier hatte Gilead angefangen zu erzählen, nachdem er Christoph angeboten hatte, sich zu duzen. Christoph fand das in Ordnung, schließlich war Gilead der Ältere. Gilead hatte gerade begonnen, als Bébé zu ihnen stieß. Er kam von der Probe und war noch halb taub, akzeptierte Gilead aber sofort als Außerirdischen, der schon seit guten siebenhundert Jahren auf der Erde weilte. Christoph betrachtete seinen Freund neidvoll. Das schätzte er so an Bébé: Der ließ sich nie verblüffen. Wenn er sich entschlossen hatte, irgendetwas cool zu finden und es zu glauben, dann war es einfach wahr. Trotzdem musste Gilead noch einmal von vorne anfangen, damit Bébé alles mitbekam.
»Nachdem mich der Kaiser als Burggraf eingestellt hatte, zog ich also nach Nürnberg auf die Burg. Sehr schön. Kalt, zugig und das Essen war auch nicht besonders. Die Nürnberger waren am Anfang ziemlich widerspenstig, als sie einen neuen Burggrafen bekamen, der ein Auge auf sie haben sollte. Aber nach und nach haben sie sich an mich gewöhnt. Trotzdem waren das die ödesten Jahre meines Lebens, und das will etwas heißen. Mein schwachsinniger Pilot tauchte dann später auch auf. Er konnte sich viel besser anpassen als ich. Er hat ja ein ziemlich kindliches Gemüt und es machte ihm überhaupt nichts aus, jahrhundertelang immer die gleichen Späße zu treiben. Als ich ihn das erste Mal nach dem Absturz wiedersah, gab er sich gerade als Heiliger aus und nannte sich Sebald. Er erschreckte die Nürnberger mit kleinen Tricks und heilte ein paar Kranke mit der Bordapotheke. Daraufhin feierten sie ihn und bauten ihm eine Kirche. Die ganze Zeit
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