Don Fernando erbt Amerika
nicht sehr gut dazu geeignet, ihn in einer Wanne voll kalten Wassers zu verbringen, in dem man gerade zitternd aufgewacht ist. Kathrin wachte schlotternd auf, stieg schlotternd aus der Wanne, rieb sich schlotternd trocken, ließ bei Schüttelfrost das Wasser aus der Wanne und stieg noch einmal hinein, um sich eine halbe Stunde lang so heiß zu duschen, wie sie es nur ertragen konnte. Als sie danach herausstieg, war ihre Haut so rosig wie die eines Babys. Und so runzlig wie die eines dreißigjährigen Apfels. Kathrin zog sich hastig an und rannte das Treppenhaus hinunter, um sich die Zeitung zu holen. Wieder zurück machte sie Tee und schlug den Lokalteil auf. Ein langer, entzückter Seufzer entrang sich ihrer Brust. Sie hatten ihn gedruckt. Den ganzen Artikel. Eine halbe Seite!
Fröhlich vor sich hin niesend machte sich Kathrin daran, ein herrliches Frühstück herzurichten. Es war ein sonniger Tag und sie war sehr gut gelaunt. Vielleicht hatte sie nun endlich Erfolg, nachdem sie sich von Versager-Christoph getrennt hatte. Vielleicht war überhaupt immer er der Hemmschuh gewesen.
Na ja.
Das glaubte sie nun doch nicht.
Aber Erfolg hatte sie jetzt endlich!
Sie las den Artikel beim Frühstück viermal und entdeckte bei jedem Durchgang eine neue Feinheit, die ihr beim Schreiben gar nichtso recht zu Bewusstsein gekommen war. Dann beschloss sie, sich noch einmal ins Bett zu legen und ein bisschen Schlaf nachzuholen, denn so gut hatte sie in der Wanne dann doch nicht geschlafen.
Sie träumte gerade von Christoph, mit dem sie in einem seltsamen Gefährt in der Wüste unterwegs war, um mit ihm eine Bombe zu entschärfen, die wie verrückt klingelte, als sie endlich aufwachte und nach dem Telefon griff, das neben ihrem Bett auf dem Boden stand und läutete.
»…«, sagte sie. Offensichtlich hatte sie sich in der Badewanne endgültig erkältet. Ihre Stimme war jedenfalls so gut wie weg.
»Frau Gottsched«, sagte ein Mann am anderen Ende, »hallo?«
»…«, sagte Kathrin etwas lauter, was der Mann am anderen Ende offensichtlich richtig interpretierte.
»Köberlein hier. Ich bin der Polizeipräsident. Gestern ist der Bürgermeister entführt worden, und wir brauchen Sie für eine Zeugenaussage. Wie es aussieht, sind Sie die einzige, die den Entführer gesehen hat. Können Sie jetzt gleich ins Präsidium kommen?«
Kathrin krächzte etwas, das sich entfernt wie ein »Ja« anhörte und kroch aus dem Bett. Alles tat ihr weh und außerdem riss sie das Badschränkchen aus der Wand, als sie sich an ihm festhielt, um eine Halsschmerztablette zu suchen. Dann zog sie sich an. Plötzlich musste sie trotz ihres miesen Zustands grinsen. Was für eine lustige Idee, den Nürnberger Bürgermeister zu entführen! Dann wankte sie die Treppe hinunter und setzte sich in ihr Auto.
Selbstverständlich sprang es nicht an.
Ein neuer Tag dämmerte über den Dächern Nürnbergs herauf. Ein richtiger Januartag, blau, klirrend kalt und sehr gut dazu geeignet, ihn in einem dunklen, kalten und feuchten Keller zu verbringen.
Das fand jedenfalls Fernando Colon. Solange er das Dokument nicht hatte, sollte der Bürgermeister ruhig ein bisschen leiden. Er hatte auch gelitten. Spätestens ab dem Zeitpunkt, als ihm klar geworden war, dass er nicht wie alle seine Freunde dahinstarb. Pest?
Ja. Leider. Er hatte sie gehabt.
Und überlebt.
Pocken?
Überlebt. Zum Glück waren die Narben über die Jahrhunderte allmählich verschwunden.
Schnupfen?
Ungefähr tausendmal. Angeblich gab es bloß ein paar Hundert Virenstämme, gegen die man nach ein paar Hundert Schnupfen eigentlich immun sein sollte. Aber er persönlich kannte genau 1123 Virenstämme. Er hatte sie gezählt.
Vor allem aber hatte er mittlerweile vierhundert Jahre des Reisens hinter sich, immer auf der Suche nach dem Dokument, das er damals unseligerweise in Nürnberg gelassen hatte. Natürlich gab es eine rechtsgültige Kopie. Aber die war kurz nach ihrer Ausstellung zusammen mit der Bibliothek des Escorial verbrannt. Seitdem war er auf der Suche nach dem Original, das ihm sein Vater auf dem Sterbebett ausgehändigt und dabei den Schwur abgenommen hatte, es niemals aus der Hand zu geben. Aber er war damals jung gewesen, ein Schöngeist, der verächtlich auf die Händel der Welt hinabschaute. Seine Welt waren die Bücher!
›Was für ein Idiot ich gewesen bin‹, dachte Fernando zum ungezählten Mal, ›hätte ich doch bloß auf Papa gehört.‹
Er seufzte. Als ihm im Laufe der Zeit
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