Don Fernando erbt Amerika
Bedienungen waren überall gleich. Mittlerweile war es schon spät nachts, aber das Café war immer noch sehr voll, und der Lärm beruhigte Bébé, während er sein Bier trank. Aber plötzlich erhob sich eine Stimme deutlich über die anderen Geräusche. Eine harte Stimme.
»Ich möchte bitte einen Espresso!«
Bébé grinste. Gott, war der Typ naiv – der Bedienung vom Tisch aus zuzurufen, wenn man schon an der Theke zwanzig Minuten wartenmusste. Der Ruf wiederholte sich in den nächsten zwei Stunden monoton, und Bébé begann er allmählich auf die Nerven zu gehen. Er machte sich einen Spaß daraus, die Unterhaltung der Bedienungen über die Impertinenz der Gäste mitzuhören. Andererseits konnte er es gar nicht vermeiden, denn sie wurde laut genug geführt, sodass die Hälfte des Publikums trotz der Musik jedes Wort verstehen konnte. Plötzlich tauchte an der Theke eine hochgewachsene Gestalt auf und sagte:
»Ich will einen Espresso. Jetzt!«
Die Bedienungen drehten sich ungläubig um. Da war doch tatsächlich jemand so frech …
»Esteban!«, jubelte Bébé, der den Spanier endlich erkannte. »Wo kommst du denn her?«
Die Bedienungen drehten ihnen wieder den Rücken zu und beschlossen, die Bestellung einfach nicht gehört zu haben. Vielleicht würde man dem Typen nachher aus Versehen ein Glas Bier über die Hose schütten, oder man schenkte ihm sein Bier aus der Abtropfschale ein.
Bébé und Esteban unterhielten sich angeregt und Bébé berichtete ihm über den bisherigen Verlauf des Abends.
»Aha«, meinte Esteban zum Schluss. »Und warum bist du jetzt nicht auf der Burg?«
Bébé wand sich.
»Ich wollte gerade gehen«, sagte er dann. »Aber ich hatte so Durst.«
Esteban nickte, dann fiel ihm etwas ein: »Okay«, sagte er, »wir gehen gleich. Aber erst will ich noch meinen Espresso!«
Er holte tief Luft und sagte dann mit gefährlich ruhiger, aber lauter Stimme: »Einen Espresso. Aber ein bisschen zack, zack, ja?«
Totale Verblüffung weitete die Augen der drei Bedienungen. Ungläubiges Staunen kroch über ihre offenen Münder in ihre Gehirne. Der zutiefst bösartige Ton dieser Bestellung fraß sich langsam durch ihre Gehörgänge und erzeugte, sobald er im Bewusstsein ankam, schieren, reinen Hass.
»Wie war das?«, fragte die Bedienung langsam und drehte sich zu Esteban um.
»Wie war das?«
Bébé grinste.
Quetzal fummelte an seiner Maschine herum, die vor ihm auf dem Tisch stand. Leif saß noch immer sinnierend auf dem Boden.
»So!«, sagte Quetzal und richtete sich auf. »Jetzt wollen wir doch mal sehen.«
Er befestigte einen Draht an dem modifizierten Röntgenschirm und legte einen kleinen Schalter um. Der Röntgenschirm glühte auf, aber sonst geschah nichts. Quetzal war enttäuscht.
»Das passiert manchmal«, sagte er resigniert. »Es gibt Erfindungen, die tun gar nichts.«
»Ich weiß jetzt, was ich in Europa wollte«, sagte Leif zusammenhanglos. »Ich wollte den besten Rockgitarristen der Welt finden.«
Der Röntgenschirm glühte stärker. Quetzal fasste nach dem Schalter, als es plötzlich dunkel wurde.
»Du hast die Sicherung geschossen«, sagte Titlichtlo trunken in die Schwärze hinein. »Und es wird verdammt schnell kalt hier drin.«
Esteban wiederholte die Bestellung, womöglich noch bösartiger als beim ersten Mal.
»Gib mir einen Espresso, Schnecke, aber hurtig, ja?«
Der Kellner kam vor und legte die Hand auf Estebans Schulter, sah ihm kalt in die Augen und sagte: »Du bist Ägypter, oder? Ich mag keine Ägypter.«
Bébé sah, wie Carlos, José und der Rest der Spanier, die sich mittlerweile wieder zusammengefunden hatten, von ihrem Tisch aufstanden und zur Theke kamen.
›Oh, oh‹, dachte Bébé. ›Jetzt geht’s schon wieder los. Ich hätte gleich auf die Burg gehen sollen.‹
In genau dem Augenblick, als Esteban dem Kellner klar machte, dass er Spanier sei, brach im Café Himmelsfrieden das bereits bekannte Chaos aus. Esteban variierte die Szene diesmal insofern, als er Bébé den Degen überließ und der ein so großes Loch in den Boden schnitt, dass Theke und Bedienungen in den Keller des Gebäudes krachten. Und dann mussten sich die Spanier noch mit den Intellektuellen auseinandersetzen, die in diesem Café zäher als sonst waren und aus druckfrischen Zeitungen und Cognac Molotowcocktails bastelten.
Als sie schließlich hoch befriedigt das komplett in Schutt und Asche gelegte Lokal verließen, rannte Bébé auf der noch immer stockdunklen Straße direkt in
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