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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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heiraten?
    Nicht meine Idee, unser Entschluss!
    Ja, unser Entschluss! Und was könnte jetzt also angemessen verrückt sein?
    Wir gehen ins Kasino. Glück und Glücksspiel. Warst du schon einmal im Kasino?
    Nein.
    Komm, Nathan, bitte lass uns ins Kasino gehen. Wir haben heute Glück. Ich weiß es. Hast du eine Krawatte?
    Sie war so ausgelassen. Sie kicherte und schlug die Hände zusammen wie ein Kind. Bitte, Nathan!
    Dann, im Zuge der aufwändigen Herstellung eines kasinokompatiblen Äußeren, wurde sie ernst, sachlich, vernünftig. Hör zu, Nathan, sagte sie, jeder nimmt zweihundert Schilling mit. Keine Karte, keine Schecks. Wenn es schiefgeht, hält sich der Schaden in Grenzen. Einverstanden?
    Ja.
    Wo sind deine Schecks, deine Karte? Zeig sie mir. Leg sie da in diese Lade. Ich will nicht, dass du heimlich –
    Wir werden Glück haben. Aber sicher ist sicher.
    Ja. Glück ist – sicher ist sicher.
    Wir fuhren zum Kasino. Zahlten Eintritt, betraten den Saal mit den Roulette-Tischen – und schon war Martina verschwunden. Einige Minuten später fand ich sie an einem Tisch sitzend, geschäftig Einsätze machend. Tolle Frau, dachte ich, so sicher und selbstbewusst. Ich war das nicht. Ich streunte zwischen den Tischen herum, konnte und konnte mich nicht entscheiden, einen Einsatz zu wagen. Probeweise stellte ich mir vor: Jetzt setze ich auf Rot. Ich setzte nicht, ich stellte es mir nur vor. Es kam Schwarz. Ich ging zum nächsten Tisch.
    Wissen Sie was, Hannah? Da haben Sie schon ein Bild für mein Sexualverhalten: Praxis theoretisch, Enttäuschung dann wirklich. Und wenn ich Glück habe, ist es auch ein Unglück, und das kam so:
    Plötzlich sah ich einen Tisch, an dem ein Scheich saß. Der Scheich war ein Scheich, weil er aussah wie ein Scheich. Das ist ja so eine Eigentümlichkeit im Bereich der Weltfolklore: Ein Mann im Steireranzug muss kein Steirer sein, aber ein Mann im Scheich-Outfit ist ein Scheich. Zumal wenn er am Roulette-Tisch sitzt, vor sich einen riesigen Berg Spielgeld und hinter sich ein paar Männer mit dunklen Anzügen und Sonnenbrillen.
    Nathan, Sie phantasieren!
    Nein, niemand leidet mehr unter der Klischeehaftigkeit der Welt als ich. Und da brachte sie mir Glück. Beziehungsweise Pech. Aber das begriff ich erst später. Dieser Scheich setzte andauernd Stapel von diesen großen viereckigen Tausender-Jetons und bekam dann regelmäßig größere Stapel zugeschoben. Ich sah mir das an und wurde mutig. Der Scheich setzte ein paar Tausender auf vier Zahlen, ich setzte daraufhin einen Zwanziger auf das Drittel, in dem sich die vier Zahlen befanden. Wir beide gewannen. Ich nahm immer die kleine Chance der großen, die der Scheich sich leisten konnte. Ich wurde stur. Ich bekam einen Tunnelblick. Neben dem Scheich saß eine ältere Dame. Irgendwann stand sie auf und ging. Ich nahm den Platz, saß da wie ein Profi, also wie ein Irrer. Ich spielte immer dem Scheich nach, immer die kleine Chance. Einmal fiel dem Scheich ein Tausender vom Tisch, ohne dass er es merkte. Ich hob den Jeton auf, reichte ihn dem Scheich, sagte, dass ihm der runtergefallen sei. Er sah mich zunächst erschrocken, dann verwundert an. Ich wiederholte auf Englisch, dass ihm dieser Jeton runtergefallen sei. Er lachte. Behalten Sie ihn, junger Mann, er soll Ihnen Glück bringen. Tausend Schilling! Glück. Wo ist das Glück?, sagte ich. Wer weiß?, sagte er und legte je fünf Tausender auf die Zahlen Sechs und Sechsundzwanzig. Mein Geburtstag, sagte er. Juni sechsundzwanzig. Jetzt musste ich schnell sein mit meinem geschenkten Jeton. Erstes oder drittes Drittel? Mein Geburtstag war am 26. 11. – also Sechsundzwanzig? Das traute ich mich nicht. Und bei Elf gab es keine Schnittmenge mit den Zahlen des Scheichs. Also drittes Drittel. Ich setzte den Tausender. Dann geschah etwas Unerklärliches. Ich hörte hinter mir Martinas Stimme: Da bist du ja! Und in meinem Kopf die Stimme: Tu’s nicht! Und ich schob, während der Croupier »Nichts geht mehr« sagte, alles, was ich inzwischen gewonnen hatte, auf dieses Feld: letztes Drittel. Es kam Einunddreißig. Ich hatte gewonnen. Aus zweihundert Schilling waren mehr als sechstausend geworden. Das reicht, sagte Martina, als sie meinen Jeton-Haufen sah. Das reicht! Komm!
    Alles noch einmal auf Rot, sagte ich, dann ist es doppelt so viel, nur ein Mal. Ich wollte die Jetons auf Rot schieben, Martina fuhr dazwischen, wischte die Jetons vom Tisch in ihre geöffnete Handtasche. Komm, sagte sie, das reicht. Ich

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