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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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zusammengebissen, volle Konzentration auf die Aufrechterhaltung der Erektion, gutigutiguti. Ich wollte – was? Funktionieren. Doppelt: Ich wollte von den Frauen die Bestätigung, dass ich es gut gemacht hatte, und ich wollte von den Frauen lernen, wie ich selbst vorstoßen konnte zu diesem Gutiguti, diesem letzten Grad der Selbstvergessenheit, in der es kein Gefühl mehr gab für dies und das, für Einzelheiten wie zerkratzte Haut und Blut und Schmerz, sondern nur noch Gefühl als ausschließliches Fühlen des Fühlens von Lust, ein Zustand, den die Wortmächtigsten nur noch in einem Wort ausdrücken, einem Wort, das völlig belieb-lieb-lieb-liebig ist: brabbelnd, stöhnend, hechelnd, schrei-----end. Ich war so eifersüchtig auf Niki. Auf ihre Fähigkeit, Lust zu versprühen. Das ist keine Metapher. Sie konnte wirklich und buchstäblich sprühen. Sie wedelte mit der Hand über  ihrem Delta und sprühte eine Fontäne. Beim ersten Mal hatte ich entsetzt geglaubt, dass sie ins Bett urinierte. Aber es war tatsächlich versprühte Lust. Sie war stolz darauf. Hast du gesehen? Sie glühte vor Glück. Aber ich dachte nur, dass ich dann wieder die Bettwäsche wechseln musste, und ich verachtete mich dafür, dass ich in dieser Situation so kleinbürgerlich an die Bettwäsche dachte.
    Ich hatte damals Franz von Niki erzählt. Stell dir vor, hatte ich gesagt, sie spritzt ab, buchstäblich, sie spritzt!
    Franz: Geil!
    Darauf ich: Und?
    Er: Was und?
    Ich: Und was noch? Was fällt dir noch dazu ein, was denkst du in so einer Situation?
    Ich hatte einfach wissen wollen, ob Franz auch auf den Gedanken kommt, dass man dann die Bettwäsche wechseln muss. Aber Franz hatte nur gesagt: Denken? Weiß nicht! Geil! Ich stell mir vor, es ist einfach geil!
    Und ich: Eine Fontäne! Ein richtiger Schwall. Es ist dann alles ganz nass im Bett! Begreifst du, Franz? Nass!
    Ich hatte ihn angeschaut und gedacht: Es kann doch nicht sein, dass er gern in einem nassen Bett liegt. Nun wird ihm wohl klar werden, dass man dann die Bettwäsche wechseln muss, und dann wollte ich ihn fragen, ob dieser Gedanke kleinbürgerlich sei und –
    Geil!, hatte Franz wiederholt. Und nach einer kurzen Pause: Bist du ganz sicher, dass sie nicht doch gepinkelt hat?
    Sie hat nicht ins Bett gepinkelt, Franz. Wenn Niki pinkeln musste, hatte sie immer »Ich muss mal für kleine Mädchen« gesagt und ist brav aufs Klo gegangen.
    Ja, ja. Ich lag im Fruchtwasser, dachte zwei Jahrzehnte zurück und musste für kleine Mädchen. Ich dachte nicht daran, das Wasser zu wechseln.
    61.
    Ein neuer Lebensabschnitt. Ich hätte eigentlich schon damals depressiv sein müssen, allein deshalb, weil ich plötzlich Begriffe wie »neuer Lebensabschnitt« ganz normal fand. Neuer Lebensabschnitt, sagte mein Vater. Neuer Lebensabschnitt, sagte ich. Vater hatte mir den Job bei der Zeitung verschafft, und noch bevor ich die erste Zeile schreiben durfte, übernahm ich schon seine Sprache. Der Biedersinn dieser Sprache hätte mir verdächtig, ja bedrohlich erscheinen müssen. Als ich zu studieren begann, wäre es mir nie eingefallen, von einem »neuen Lebensabschnitt« zu sprechen. Rückblickend ist der Eintritt in die Universität allerdings wirklich keiner gewesen. Eher eine Verlängerung der Schulzeit. Ein Wartesaal – in dem man liest, was da an Druckwerken herumliegt. Irgendwann ist man dran.
    Ich trat hinaus ins Licht. Mein neuer Lebensabschnitt fiel zusammen mit dem sonnigsten Jahresbeginn, dem strahlendsten Winter und Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es war das Jahr 1980, zugleich der Beginn eines neuen Jahrzehnts, einer neuen Epoche. Die Wände der dunklen verrauchten Hinterzimmer fielen um wie Kulissen, und was war dahinter? Menschen, die in die Sonne blinzelten. Keine geknechteten Massen mit grauen Gesichtern im Dämmerzustand der Geschichte, die sich nach dem Licht der Aufklärung verzehrten.
    Ich kann mich nicht erinnern, in meiner Studentenzeit je das Wort »Sonnenschutzfaktor« gehört zu haben.
    Mein Vater wollte, dass ich mit einem Anzug bei der Arbeit erscheine. Die Stelle bei der Zeitung sei schließlich kein Ferialjob für Studenten, sondern ein echter Arbeitsplatz. Vater kannte natürlich einen Prominentenschneider, der regelmäßig in seinen Kolumnen vorkam und daher in seiner Schuld stand, weshalb er mir Maßanzüge nur zum Preis des Stoffes nähen würde, was billiger käme als jeder Anzug von der Stange. Man müsse sich ja nicht unbedingt das teuerste englische

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