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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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Wasser nachrinnen. Sie ist zärtlich gewesen, zumindest demonstrativ sehnsüchtig nach Zärtlichkeit. Mmmm, hatte sie ununterbrochen gesagt, mmmm, es vibrierte nur das mmmm auf ihren Lippen; in ihrer Brust. Es klappte nichts. Ich mühte mich ab, keuchte, schnappte nach Luft, weil ich nicht atmete, ich wollte nichts riechen, ich begann, stark zu schwitzen, so solidarisch war ich. Und dann, als wir erschöpft und gescheitert nebeneinanderlagen, sagte sie: Was haben unsere Eltern mit uns gemacht? Warum sind wir so kaputt?
    Seltsame Frage? Nein. Sie machte uns unschuldig – und gab Stoff für lange Gespräche.
    All das, was ich als Student im Bett gelernt und diskutiert hatte, wurde allerdings sofort bedeutungslos, als ich das Studium abbrach und ins Berufsleben eintrat. Wieder hatte ich eine Ausbildung erfahren, die danach nichts zählte. Ich hatte ideologisch korrekten Beischlaf studiert, aber nun gab es weit und breit keine, die mit mir im Bett über Entfremdung diskutieren, sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien wollte. Bei der Arbeit lernte ich nur noch Frauen kennen, die Lust wollten. Liebe. Unter dieser Voraussetzung erst recht Lust. Glück. An und für sich. Ich hatte noch nie an Sicherheit, Vorsorge, Alter und Tod gedacht. Ich lernte fünfundzwanzigjährige Sekretärinnen kennen, die es taten. Sie wollten jetzt, solange sie jung waren, solange ihr Körper etwas hergab, ihr Glück machen. Glück, das dann halten musste bis zum Tod. So geil wie die neuen Pornos und zugleich so romantisch wie die alten Groschenhefte. Sie setzten sich auf Schwänze, so wie heute Telefone auf Ladestationen sitzen.
    Da war Margit, Frau Reiter. Sie wurde mir in der Kantine der Zeitung als »Die Stimme« vorgestellt. Sie arbeitete in der Abo-Abteilung. Man erzählte, dass ihre Telefonstimme so unwiderstehlich sei, dass jeder, der anrief, um das Abo zu kündigen, nach einem kurzen Gespräch mit ihr das Abo verlängerte. Im Bett sagte sie mir mit dieser Stimme nur Peinlichkeiten ins Ohr, Phrasen, von denen sie glaubte, dass sie mich ganz furchtbar erregen würden. Sie erregten mich nicht. Ich fand das lächerlich: Telefonsex mit einer Frau, mit der man wirklich im Bett lag. So hot wie eine Hotline. Wie nennt man das Schlüpfrige, das nichts anbrennen lässt? Zote? Ich nenne es Teflon.
    Oder Steffi. Frau Slama. Die Sekretärin meines Mentors Prohaska. Bei Tag ließ sie sich vom besoffenen Prohaska demütigen, schluckte jede Beleidigung, und in der Nacht – nein, wie unerträglich primitiv das war! Das kann man nicht erzählen, das kann ich nicht einmal mir selbst eingestehen, während ich im Fruchtwasser liege, in der absoluten Unschuld, ich wasche mich in Unschuld, meine Hände, sie schrumpeln im Fruchtwasser nicht, während sie so unschuldig da und da nesteln, und ich schlucke, Fruchtwasser kann man trinken, Steffi, ach Steffi! Wie gern sie geschluckt hat! Sie hat es so gelernt, so gut gelernt: zu schlucken. Ich kann tief schlucken, und ich kann hoch schlucken, hatte sie gesagt, ich schlucke die Erniedrigung, und ich schlucke den Höhepunkt, ich schlucke den Schaum der Verachtung, und ich schlucke den Saft der Liebe. Ich fahre mit den Lippen über die Glatze des Mannes, wie ein Staubsauger fahr ich und fahr ich, und schlucke und schlucke. Und sauge die Brust, die Warzen des Schweins, die Achseln saug ich, den Nabel, und schlucke und schlucke. Mein Schatz, sage grad heraus, dass du mich liebst, weil ich schlucke! Heraus! Ich schlucke!
    Ich ließ heißes Wasser ein. Was da dampft, ist einfach Dampf. Keine Männerphantasie. Keine Metaphern, kein doppelter Boden. Es war so, wie es war: ganz anders, als Alice und die Bettys es mir vorher erklärt hatten. Männerphantasien? Meine Phantasie hatte damals ausgesetzt, und wer wen zum Objekt macht – ach, wozu diese Diskussion? Es gab sie nicht mehr. Objekt? Es wurde alles so subjektiv …
    Frau Nosseck. Dominika. Die Niki. Beilagenredaktion, verantwortlich für »Reisen«. Sie sprühte vor Lust. Sie sprudelte, wenn sie erzählte, und wenn sie schrieb, war ihr Stil so flüssig wie ein wilder Strom. Sie konnte eine Wüste oder einen fernen Strand beschreiben, als hätte sie für jedes einzelne Sandkorn ein eigenes Wort. Aber im Bett kannte sie nur eines, ein einziges, noch dazu dieses: »Guti«. Ununterbrochen gutigutiguti. Sie schälte mir mit den Nägeln die Haut vom Rücken, ich blutete, sie: gutigutiguti! Wieso habe ich das zugelassen? Wieso habe ich das ausgehalten? Die Zähne

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