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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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habe Philosophie studiert, sagte sie, dissertiert über »Warenform und Denkform«.
    Und als promovierte Philosophin wird man Mode –, Mode –, wie sagt man? Mir fiel immer nur Tussi ein.
    Als Philosophin kann man alles werden, sagte sie. Ein promovierter Jurist, der keine Stelle findet, ist ein arbeitsloser Jurist. Ein Chemiker ohne Anstellung ewig ein arbeitsloser Chemiker. Aber promovierte Philosophen erwarten nicht unbedingt eine Anstellung als Philosoph, der Arbeitsmarkt für Philosophen ist viel zu klein. Also gehen sie in alle möglichen anderen Märkte. Wer gelernt hat, Gedanken nachzuvollziehen, kann alles machen, außer Handarbeit. Aber auch über die kann er noch Entscheidungen treffen.
    Ja, schon, vielleicht, aber warum ausgerechnet Mode?
    Erstens mache ich nicht Mode, sondern Marketing. Zweitens, warum nicht Mode? Mode ist der fadenscheinige Rock, in den sich der Zeitgeist hüllt. Das ist spannend. Man kann die Zeit verstehen, in der man lebt.
    Sie trank einen Mojito. Von Zeit zu Zeit fischte sie ein Pfefferminzblatt aus dem Glas und kaute es.
    Hegel hat Napoleon als Personifikation des Weltgeistes seiner Zeit beschrieben, sagte sie. Wenn ich dich jetzt bitten würde: Zeichne mir Napoleon auf diese Serviette –
    Ich kann nicht zeichnen.
    Davon gehe ich aus. Zeichne irgendetwas, das dazu führt, dass ich an Napoleon denke. Wie beim Activity-Spiel. Was würdest du zeichnen?
    Ein Gesicht mit diesem halbmondförmigen Tschako auf seinem Kopf, sagte ich, und die Weste mit der hineingeschobenen Hand.
    Siehst du! Das ist es. Da hast du deinen Weltgeist: Modell und Marke.
    Sie rührte mit dem Strohhalm ihren Mojito. Ich hatte Bier getrunken, mein Glas war leer, und ich ärgerte mich, weil der Barmann seit zehn Minuten meine Zeichen übersah. Beate hob eine Augenbraue.
    Noch ein Wunsch, gnädige Frau?
    Noch ein Bier, sagte ich.
    Die Menschen kostümieren sich gern, sagte Beate – um erkannt, anerkannt und wiedererkannt zu werden. Bist du Journalist?
    Ja, sagte ich, wieso?
    Dein Anzug, sagte sie. Sieht aus wie der von Walter Matthau im Film »Extrablatt«.
    Du lügst.
    Nein. Alles ist verkleidet, aber durch seine Verkleidung verrät es sich. Niemand würde einem alten Mann glauben, der nackt durch die Straßen läuft und ruft: Ich bin der König! Schopenhauer. Außerdem lese ich auch die Gesellschaftsseiten in den Zeitungen. Gehört zu meinem Job.
    75.
    Beate war das Gleiche und auch der Gegensatz. Wir zogen uns an und gesellten uns gern, jeden Abend, außer sie hatte beruflich (sie sagte »geschäftlich«) einen Termin. Wir gingen essen, dann in eine Bar, redeten und redeten. Kino? Wir waren mit den eigenen Gesprächen noch nicht fertig, warum anderen Menschen bei ihren Dialogen zuschauen? Tanzen? Wir redeten über das Tanzen. Sie erzählte, dass sie in ihrer Studentenzeit in der Zeitung der Hochschülerschaft einen witzigen Artikel über eine Diskothek gelesen hatte, über das Voom Voom, und daraufhin einmal hingegangen sei. In mir tobte ein Titanenkampf: Würde es sie beeindrucken oder wäre es unangenehm großspurig, wenn ich mich als Autor dieses Artikels zu erkennen gäbe, oder wäre es vorbildliche Bescheidenheit, die mir später einmal positiv angerechnet würde, wenn ich nur wissend lächelte?
    Und?, sagte ich.
    Dort habe ich den ersten Mann kennengelernt, mit dem ich dann zusammengelebt habe, sagte sie. Er fiel mir auf, weil er eindeutig der schlechteste Tänzer war. Er tanzte so schlecht wie ich, das machte mir Mut.
    Ich gestand, dass ich damals diesen Artikel geschrieben hatte.
    Sie lächelte wissend.
    Bist du noch, fragte ich, mit ihm zusammen?
    Bist du noch mit ihr zusammen?
    Mit wem?
    Mit der, die du in dieser Zeit kennengelernt hast?
    Nein.
    Na eben.
    Ich fühlte mich mit Beate so glücklich, so geglückt und in meinem Glücken bestätigt, dass ich nachträglich nicht verstehe, warum ich so lange brauchte, bis ich auf den Gedanken kam: Ich will hinein in ihren Geburtskanal.
    Das Haus in der Lassallestraße, in dem ich noch immer wohnte, wurde damals systematisch zum Abbruchhaus gemacht. Große Konzerne drangen in die Straße ein, zogen Bürotürme hoch und schoben sich immer weiter vor. Ein verkommenes Viertel in Zentrumnähe mit U-Bahn-Anbindung ist für Großinvestoren ein Geschenk, zumal die Stadt diese Entwicklung, die sie für Sanierung hielt, förderte. Das Grundstück, auf dem das Haus stand, in dem ich wohnte, war nun unendlich mehr wert als das Gebäude selbst, das nur wenig

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