Donaugrund (German Edition)
nichts beeinträchtigte die Arbeit mehr als Spannungen innerhalb des Teams, davon konnte Raphael schließlich ein Lied singen. Dass Sarah seine Entscheidung, Moritz mit ins Boot zu holen, wenigstens tolerierte – wenn auch nicht guthieß –, wusste Raphael. Moritz aber sollte sich nicht unwillkommen fühlen.
»Mach dir keine Gedanken«, antwortete er also. »Wenn es um Herbert geht, verschließt sie einfach aus Nostalgiegründen die Augen vor der Realität. Das hat nichts mit dir persönlich zu tun … Mich hat sie schließlich auch nicht mit offenen Armen empfangen, als ich hier angefangen habe.«
Moritz nickte erleichtert. Wahrscheinlich hatte Raphael im vergangenen Jahr eindrucksvoll genug bewiesen, dass Sarahs rein prophylaktische Antipathie gegenüber neuen Kollegen über kurz oder lang problemlos ins Gegenteil zu verkehren war. Er erinnerte sich zu gut an Sarahs wenig begeisterten Blick, als er ihr an seinem ersten Arbeitstag in Regensburg mit irgendeinem flapsigen Spruch auf den Lippen zur Kaffeemaschine gefolgt war.
Lächelnd verließ Raphael Wahlners Büro und schlug den Weg zum Empfang ein. Sarah hatte es ihm wirklich nicht leicht gemacht. Dabei hatte er sich fast auf den ersten Blick in sie verknallt. Oberflächlich zunächst, schon klar. Nur hatte ihn allmählich auch die Persönlichkeit unter dieser verdammt hübschen Hülle nicht mehr ruhig schlafen lassen. Aber schließlich hatte sich sein Gefühl, ihr gar nicht so gleichgültig zu sein, doch als richtig erwiesen. Plötzlich sehnte er den Feierabend herbei, an dem Wahlner und HEUREKA keine Rolle mehr spielten und es nur noch Sarah und ihn gab. Es war nicht einfach, den ganzen Tag miteinander zu verbringen, ohne dem Bedürfnis nach Nähe nachgeben zu dürfen … Jordan, krieg dich wieder ein. Die paar Stunden wirst du wohl noch überleben.
Am Empfangstresen lehnte Wollenschläger und sprach mit leiser Stimme auf die Rothaarige ein, deren Namen Raphael schon wieder vergessen hatte. Als er Raphael kommen sah, brach er abrupt ab.
»Ich dachte, Sie hätten dringend zu tun?«, bemerkte Raphael. Mist, verdammter. Warum konnte er es bei Leuten wie diesem Wollenschläger einfach nicht lassen, ein bisschen zu provozieren?
Wollenschläger musterte ihn feindselig, dann ging er schnellen, aber würdevollen Schrittes an Raphael vorbei.
»Gibt’s denn schon Erkenntnisse, Herr Jordan?«, fragte die Rothaarige gespannt.
Sie schien genau die richtige Adresse zu sein, wenn man wollte, dass sich Neuigkeiten bei HEUREKA im Eiltempo verbreiteten. »Nur die«, antwortete Raphael und grinste innerlich, weil die Rothaarige mit erwartungsvoll aufgerissenen Augen und ohne zu atmen an seinen Lippen hing, »dass meine Kollegen und ich seit heute Morgen keinen Kaffee mehr hatten. Lässt sich das ändern?«
* * *
Leo rauschte ohne anzuklopfen ins Büro herein, und schon wieder zog Celia automatisch den Kopf ein.
»Hi, André«, sagte er knapp, bevor er Celia tadelnd musterte. Was war denn nun schon wieder los? »Wann darf ich eigentlich mit den Texten für die neue Webseite rechnen?«
»Welche Webseite?«, fragte Celia erstaunt. Werbetexte produzierte sie, im Gegensatz zu Zahlenkolonnen, mit Begeisterung – einen solchen Auftrag hätte sie in null Komma nichts erledigt.
Leos kantiges Gesicht wurde noch eine Spur härter. »Guten Morgen, liebe Celia!« Aggressiv hämmerte er mit der Faust auf ihren Schreibtisch, dass der Monitor einen Hopser machte. Celias Herz begann zu rasen. Welche Webseite meinte Leo, verdammt noch mal?
»Simone hat dir schon letzte Woche das Konzept für das neue Seitensprung-Portal zugemailt«, sagte Leo ungehalten.
Celia schüttelte den Kopf, kam aber nicht dazu, sich zu verteidigen.
»Meine Fresse, echt!«, brüllte Leo los und baute sich drohend vor ihr auf. »Kriegst du eigentlich überhaupt irgendwas auf die Reihe? Kümmer dich um den Scheiß, und zwar dalli. Die Zeit der schicken Geschäftsreisen mit dem Chef ist vorbei, Herzchen. Morgen will ich die Texte, sonst …« Er machte eine unmissverständliche Geste, indem er seine Hand quer über seine eigene Kehle führte. Dann verließ er im Sturmschritt das Büro und knallte die Tür hinter sich zu.
»Jetzt flippt er vollkommen aus.« André war aufgesprungen und zu Celias Schreibtischseite geeilt. »Was war das denn?«
»Ich hab dieses Konzept nicht bekommen.« Celia spürte, wie sich ihr Brustkorb wie im Krampf verengte. Nein, bloß nicht schon wieder heulen. Ganz ruhig. Sie
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