Donaugrund (German Edition)
sagt.«
Wahrscheinlich konnte sie noch eine halbe Stunde lang die verschiedensten Gründe anführen, weshalb ich sie unterbrach. »So wie Sie jetzt gerade?«
»Keine Sorge«, antwortete sie. »Wir wurden heute per Mail von Herrn Hoyer zu absoluter Offenheit und Kooperation angehalten, um möglichst wenig wertvolle Arbeitszeit zu verlieren. Ich halte mich also nur an die Anweisungen der Geschäftsleitung.«
Raphael lachte, und auch ich musste schmunzeln. In Gedanken dankte ich Hoyer – für uns war dies ein sehr praktischer Schachzug gewesen. Aber schied er damit selbst als potenzieller Mörder Jan Wahlners aus? Oder fühlte er sich einfach nur sicher, dass es niemanden gab, der ihn belasten konnte?
»Dafür, dass das hier so ein Hexenkessel ist«, stellte ich fest, »wirken Sie ja sehr entspannt.«
»Das bin ich auch«, sagte sie. »Es ist ganz einfach: Ich bin die Schweiz, wenn Sie so wollen. Ich halte mich aus allem raus, lasse mir nichts zuschulden kommen, bin mit niemandem privat befreundet, aber trotzdem immer nett zu den Kollegen. Die meiste Zeit sitze ich in meinem Büro und gehe einfach meinen Aufgaben nach. Und insgeheim lasse ich das alles nicht an mich heran. Das würde nicht in jeder Position hier gehen, schon klar – aber in meiner funktioniert es wirklich gut.« Sie nickte, ganz als gratulierte sie sich selbst zu ihrem Glück. »Nur manchmal lässt es sich nicht vermeiden, irgendeine neue Entwicklung kopfschüttelnd zur Kenntnis zu nehmen. Wenn ein außerordentlich guter Mitarbeiter seinen Schreibtisch räumen muss zum Beispiel. Oder wenn mal wieder lautstark die Bürotüren knallen. Aber perfekt läuft es schließlich in keiner Firma, also passt das schon.«
»Ist Ihnen am Abend der Weihnachtsfeier denn etwas Besonderes aufgefallen?«, fragte Raphael. »War Wahlner in eine Auseinandersetzung verwickelt? Oder wirkte er vielleicht besonders bedrückt?«
»Nein, gar nicht«, antwortete sie entschieden. »Und ich würde es Ihnen ehrlich sagen, wenn es so gewesen wäre.« Ihr amüsiertes Zwinkern wirkte sehr sympathisch. »Es war wirklich alles wie immer. Der Großteil der Belegschaft hat sich die Kante gegeben bis ultimo und so richtig Party gemacht. Unter Alkoholeinfluss werden sämtliche Feindschaften hier erfahrungsgemäß vergessen.« Sie rollte die Augen himmelwärts, dennoch fand ich es bewundernswert, wie gut sie sich emotional gegen das vorherrschende Geklüngel abschottete.
»Ist Ihnen aufgefallen, dass irgendeiner der Kollegen eine Verletzung hatte? Oder irgendwie derangiert aussah?«, fragte ich.
Sie stutzte, antwortete dann aber: »Na ja, derangiert sahen zu späterer Stunde fast alle aus. Aber verletzt war niemand, sicher nicht. Auffällig – und anders als sonst – war aus meiner Sicht wirklich nur, dass Jan eben in der Karmalounge nicht mehr dabei war. Da ich aber auch nicht zum Kreis derjenigen gehöre, bei denen er sich persönlich abgemeldet hätte, habe ich das zwar erstaunt zur Kenntnis genommen, aber nicht hinterfragt.«
»Wer gehört denn Ihrer Meinung nach zu diesem Kreis?«
»Sascha Hoyer natürlich«, antwortete sie spontan. »Und eventuell noch Simone Geier.« Sie neigte abwägend den Kopf.
»Was ist mit Celia Kleingrün?«, fragte ich. »Laut Frau Geier hatten die beiden wohl einen ganz guten Draht zueinander?«
Wieder verdrehte Carola Bloch die Augen. »Ach ja, da brodelt derzeit wieder mal die Gerüchteküche. Keine Ahnung, wer diesen Mist unter die Leute gebracht hat.«
»Welchen Mist genau?« Raphael hatte sich interessiert nach vorn gebeugt, und auch ich horchte auf.
»Angeblich«, sagte Carola Bloch und klang dezent gelangweilt, »hatten Jan und Celia eine Affäre.«
»Könnte da was dran sein?«
»Keine Ahnung. Und es ist ja auch deren Sache, oder?«, antwortete sie. »Aber mit dieser Meinung dürfte ich wohl ziemlich allein dastehen.« Angewidert zog sie die Nase kraus. »Die beiden kamen wohl ganz gut miteinander aus, und Jan hat sie sehr häufig mit auf Geschäftsreise genommen – was ich ihm nicht verdenken kann, eine so hübsche Frau besänftigt sicher auch den härtesten Geschäftspartner. Und um Simone Geier zu entlasten, die hier normalerweise mit Arbeit zugemüllt wird, hat er Celia auch ab und an ein paar von Simones Projekten übertragen. Aber mehr weiß ich darüber nicht. Und eigentlich will ich auch gar nicht mehr wissen.«
»War das für Frau Kleingrüns Chef, Herrn Wollenschläger, ein Problem?«, fragte ich.
»Für Leo«, antwortete
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