Donaugrund (German Edition)
Nur weil du nicht auf sie verzichten magst?«
Damit hatte sie natürlich recht. Wenn es Sarah wirklich so wichtig war, beruflich voranzukommen, dann wäre es das Allerletzte, wenn er versuchen würde, sie daran zu hindern. Sosehr die Vorstellung, sie nach München gehen zu lassen, auch schmerzte. »Du meinst, ich soll ihr raten, den Job anzunehmen?«
»Wenn du den Eindruck erwecken willst, dass du sie loswerden willst: nur zu.« Er sah Miriams süffisantes Lächeln förmlich vor sich. »Damit nimmst du ihr dann aber die Möglichkeit, den Job doch abzulehnen. Sie würde vor dir ja völlig das Gesicht verlieren, wenn sie sich gegen eine Karriere beim LKA entscheidet, obwohl sogar du ihr dazu rätst.«
»Aber was dann?«, fragte er ratlos.
»Eben.« Der Triumph in Miriams Stimme war nicht zu überhören.
Langsam begann Raphael zu verstehen. Es gab keine richtige Reaktion außer der, sich aus Sarahs Entscheidung herauszuhalten. Dass ihn dieser Mist aber trotzdem stresste, mindestens bis sie eine Entscheidung gefällt hatte – und je nach Entscheidung möglicherweise auch noch weit darüber hinaus –, musste ihr natürlich klar gewesen sein. Hatte sie ihm genau das nicht zumuten wollen, wenigstens vorerst nicht? Und dafür musste sie sich auch noch von ihm anpöbeln lassen. Jordan, manchmal bist du wirklich ein ausgewachsener Vollidiot.
»Jetzt klarer?«, riss Miriam ihn aus seinen Gedanken.
»Ich denke schon«, gestand er ein. Verdammt. »Es ist ganz einfach ihre Entscheidung. Und ich halte am besten die Klappe.«
»Hoffentlich interpretiert sie das dann nicht als Gleichgültigkeit«, orakelte Miriam genüsslich. Die Tatsache, dass sie diesmal so völlig sonnenklar auf Sarahs Seite stand, verdeutlichte nur noch mehr, wie bescheuert er sich verhalten hatte.
»Dass es mir nicht egal ist, werde ich ihr dann halt zeigen müssen«, antwortete Raphael. »Wenn ich dazu noch die Gelegenheit habe …«
»Große Krise?«, folgerte Miriam.
»So ähnlich. Ich hab mal wieder Verbalrambo gespielt. Und sie ist gegangen.«
»Manchmal, liebes Bruderherz, bist du wirklich ein Riesen-Depp.«
SECHS
Am nächsten Morgen trat ich wie gerädert aus dem Hauseingang. Ich hatte die halbe Nacht wach gelegen und mich die restliche Zeit im Halbschlaf von einer Seite zur anderen gewälzt. Natürlich, einerseits verstand ich Raphaels Wut und Enttäuschung, ich wäre an seiner Stelle wohl auch gekränkt gewesen. Andererseits: Wie hätte ich mit ihm darüber reden sollen, wo ich doch noch nicht einmal selbst darüber nachdenken wollte? Wahrscheinlich war mein Schweigen ein Fehler gewesen … Aber, das musste ich mir eingestehen, ein Fehler, den ich wahrscheinlich immer wieder machen würde – schon allein, um ihm keine Sorgen zu bereiten, die sich im Nachhinein als völlig überflüssig herausstellten. Frustriert trat ich in die Schneemauer, die sich entlang der Hauswand türmte.
Toll, Sarah, gut gemacht. Irgendwie sah er gestern leider nicht besonders sorglos aus.
Finden Sie, ich hätte mich vor ihm rechtfertigen sollen? Versuchen, zu erklären?
Aber erinnern Sie sich doch bitte: »leicht formbar«, »Frauenquote«, »nicht kompatibel« – geht’s noch? Und diesem arroganten Schnösel hätten Sie an meiner Stelle auch noch Ihre Beweggründe erklärt? Meine Hochachtung, Sie sind wirklich hart im Nehmen. Ich muss zugeben, zu meinem Gefühlscocktail aus schlechtem Gewissen und Traurigkeit gesellt sich immer noch eine ordentliche Portion Wut. Wie gemein ist es denn bitte, das Jobangebot auf die Tatsache zurückzuführen, dass ich weiblich und vielleicht nicht gar so halsstarrig wie er bin? Ganz ehrlich, da kommt mir nicht nur die Galle, sondern auch noch die Alice Schwarzer hoch.
Allerdings, so vermute ich, würde der lieben Alice wiederum die Galle hochkommen, wenn sie wüsste, dass er mir trotzdem jetzt schon fehlt. Verraten Sie’s ihr bitte nicht, ja?
Und zu allem Überfluss war es in Ermangelung meiner personifizierten Heizdecke schweinekalt heute Nacht, trotz des Flanellpyjamas, den ich aus den Untiefen meines Kleiderschranks gewühlt habe.
Hach, wenn er doch nur … Natürlich male ich mir aus, dass er jetzt in der Dienststelle sitzt und bei meinem Eintreffen reumütig auf die Knie sinkt. Oder von Tränen geschüttelt auf seinem Schreibtisch zusammenbricht und mich unter Schluchzern und Gestammel um Verzeihung anfleht. Ein bisschen träumen darf man doch wohl noch?
Missmutig stapfte ich weiter und trampelte auf den Schnee
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