Donaugrund (German Edition)
Und ein friedliches Leben.« Sie sah von ihren Händen auf. »Sie müssen sich das wie eine WG vorstellen. Wir waren auf unsere Art glücklich.«
Auch mir erschien das natürlich ungewöhnlich, aber dennoch glaubwürdig. Sie hegte keinen Groll, war nicht wütend oder enttäuscht, wirkte nicht frustriert. Ich meinte, eine leise Melancholie zu spüren, aber die schob ich auf die Irrungen, die nun mal jeder im Laufe seines Lebens durchmachen musste. Und auf Jan Wahlners Tod natürlich. Den Tod eines Freundes und des Vaters ihrer –
»Und Herr Hoyer?«, platzte Raphael heraus. »Fand der das vielleicht auch ganz nett? Dass Sie hier mit dem Mann zusammenleben, dem er Jahre zuvor schon den Vortritt lassen musste?«
Beate Wahlner hob abwägend die Hand. »Vielleicht war es ihm einfach zu riskant. Und … Sascha mag keine Veränderungen.« Sie unterdrückte ein Schmunzeln. »Allein deshalb fand er diese Lösung wohl auch ganz beruhigend. Natürlich unter der Prämisse, dass Jan und ich eben nur noch auf dem Papier verheiratet sind.«
»Das Baby …«, begann ich.
»Lara ist von Sascha«, antwortete sie mit einer Abgeklärtheit, die angesichts ihrer zarten, beinahe naiv wirkenden Art ziemlich absurd daherkam. »Ganz genau.«
»Und Herr Hoyer«, Raphael beugte sich weiter vor, »wollte Ihren Mann wirklich nicht loswerden? Ich meine … Sie haben ein Kind zusammen!« So fassungslos hatte ich ihn selten gesehen.
»Ich weiß, Sie suchen Jans Mörder«, antwortete sie ruhig, »aber ich muss Sie enttäuschen: Sascha hat nicht unter der Situation gelitten. Wir haben uns alle ganz gut daran gewöhnt, auch wenn die Konstellation vielleicht etwas ungewöhnlich war.« Wieder lächelte sie.
Nein, nach Leid und emotionaler Hochspannung sah das wirklich nicht aus. Aber wer wusste schon, wie Sascha Hoyer wirklich darüber dachte? »Nun gut«, kommentierte ich lax, um Beate Wahlner nicht in Alarmbereitschaft zu versetzen. »Wer hatte denn Ihrer Meinung nach ein Interesse am Tod Ihres Mannes?«
Sie lachte trocken auf, als wäre diese Frage völlig absurd. »Wollen Sie mich nicht lieber fragen, wer nicht?« Das Baby fing an, leise zu wimmern, und sofort stand Beate Wahlner auf, nahm es aus der Wiege und setzte es sich auf den Schoß.
»Bei HEUREKA gibt es so viele Leute, die für ihre Karriere über Leichen gehen würden: Leo Wollenschläger, die Geier – mit den beiden hatte ich auch größere Probleme damals –, dann diese Jessica am Empfang, die komplette Technikabteilung … Aber Jan hat diese Mentalität immer geschürt, angeblich, weil nur Konkurrenzdenken das Beste aus den Leuten herausholt.« Wieder dieses leise und bittere Lachen. Das Baby wimmerte weiter. »Ich persönlich glaube, genau das ist ihm jetzt zum Verhängnis geworden.«
* * *
Celia drehte sich mit einem behaglichen Schnurren in ihrem Bett um. Sie war in der Nacht nur einmal aufgestanden, um eine Tablette gegen die Magenschmerzen zu nehmen, die sie geweckt hatten, aber dann hatte sie endlich selig durchgeschlummert, ohne Angstzustände, ohne mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu schrecken, weil sie geträumt hatte, in der Arbeit etwas Wichtiges vergessen zu haben. Jetzt zog sie sich die Decke halb übers Gesicht, seufzte wohlig, blinzelte durch die noch schweren Lider und schloss die Augen wieder. Vielleicht noch eine Stunde schlafen. Oder zwei. Oder auch drei, heute war schließlich Samstag, und dieses Wochenende hatte sie sich hart genug verdient.
Sie wusste nicht, wie lange sie noch vor sich hin gedöst hatte, als das Schrillen des Handys auf ihrem Nachttisch sie endgültig aus dem Schlaf riss. Sofort fing ihr Herz an, hart gegen den Brustkorb zu schlagen. Ein Blick auf das Display ließ sie aber beruhigt aufatmen. André. Der würde sie bestimmt wie so oft fragen, ob sie denn nicht Lust hätte, abends mit ihm ins Kino zu gehen. Gewohnheitsmäßig dachte sie vorsorglich über eine Ausrede nach, aber als ihr auf die Schnelle nichts einfiel, entschied sie sich anders. Vielleicht war das ja mal ganz nett – André, der sie umsorgte, ein lustiger Film …
»Hallo, André«, murmelte sie ins Telefon.
»Hi, Celi, ich bin gerade in der Firma.« André schluckte schwer.
Er arbeitete manchmal auch am Wochenende, wo hauptsächlich die Studenten damit beschäftigt waren, die Kundenbetreuung am Laufen zu halten. Aber weshalb er sich so aufgebracht anhörte, verstand sie nicht. »Leo ist gerade hier reingefegt. Du hast ihm doch gestern die Texte ins Fach
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