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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Silberhorn
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Geräuschkulisse anzukommen. »Gäbe es Raphael nicht, könntest du dich viel leichter gegen diesen Job entscheiden. So hat es den faden Beigeschmack von ›Kaum hat sie einen Freund, verzichtet sie auf die Karriere‹. Und diesen Schuh willst du dir partout nicht anziehen. Stimmt’s?« Sie drückte mit Schwung die Tür zu den Umkleiden auf, erschlug dabei beinahe eine mollige Mittfünfzigerin, die den Raum gerade verlassen wollte, entschuldigte sich hastig und warf mir einen prüfenden Blick zu.
    Mit dieser Aussage hatte sie, obwohl mir das selbst vorher nicht richtig bewusst gewesen war, nun leider vollends ins Schwarze getroffen.
    Anscheinend war mir das mal wieder nur allzu deutlich anzusehen. Zufrieden nickte sie, bevor sie ihren Pulli über den Kopf streifte und, wie ich erstaunt registrierte, in ein knallgelbes T-Shirt mit der blauen Aufschrift » ZUMBA « schlüpfte. Vor allem in der Kombination mit ihrer leuchtend lilafarbenen Sporthose erschien mir das doch sehr gewagt.
    »Wusste ich’s doch. Aber ich sag dir mal was, Sarah«, fuhr sie bedeutungsschwanger fort und kramte in ihrer Sporttasche. »Emanzipiert ist es, das zu tun, was du tun willst. Nicht das, was die Gesellschaft – welche Gesellschaft auch immer – von dir erwartet.«
    Das erschien mir nun beinahe weise: Sowohl Nicoles plötzliche Fähigkeit, sich in meinen manchmal etwas verquer funktionierenden Kopf zu denken, als auch ihre Haltung zu meinem Dilemma. Darüber würde ich nachdenken müssen.
    Eilends schlüpfte ich aus der Winterjacke, während Nicole in ihrer Tasche kramte und schließlich ein HEUREKA -orangefarbenes Stück Stoff zutage förderte, das sie sich zu allem Überfluss um den Kopf band. Mit gelinder Verzweiflung registrierte ich, dass somit nun auch über ihrer Stirn der ZUMBA -Schriftzug prangte. Nicole machte keine halben Sachen, so viel stand fest.
    Seufzend öffnete ich endlich meinen Rucksack und holte das übliche graue Top und die schon leicht ausgewaschene schwarze Sporthose hervor, was nun im Gegenzug von Nicole skeptisch beäugt wurde.
    »Ach Mann, Sarah. Immer dieses Grau in Grau. Zumba ist fröhlich!«, quietschte sie und erntete dafür ein zustimmendes Nicken von den umstehenden Damen, die sich nach und nach in ähnlich interessante Farbkombinationen wie Nicole hüllten.
    »Sorry. Beim nächsten Mal dann«, antwortete ich und stellte fest, dass sie es tatsächlich geschafft hatte, mich wieder ein wenig aufzuheitern. »Aber bei dir fehlt mir irgendwie noch der Grünton im Outfit. So ist das einfach zu dezent.«
    Nicole grinste, schob die Beine ihrer Sporthose bis zu den Knien nach oben und band sie dort an der Seitenlasche fest. Dann zog sie ihre hohen Stiefel aus und wackelte mit den Füßen. Die mir, in grellgrüne Kniestrümpfe gehüllt, munter entgegenleuchteten.
    * * *
    Sie grübelte schon wieder. Das ganze Wochenende war Sarah ziemlich geistesabwesend gewesen, hatte in jeder stillen Minute angestrengt die Zähne zusammengepresst und war zusammengezuckt, sobald Raphael sie unerwartet angesprochen hatte. Auch jetzt stand sie reglos in seinem Badezimmer, die Wimperntusche unbeachtet in der rechten Hand, und starrte gedankenverloren auf ihr Spiegelbild.
    Es war nicht schwer zu erkennen, dass der Gedanke an München und das LKA sie auf Schritt und Tritt verfolgte, sobald sie nicht durch eine wie auch immer geartete andere Aktivität abgelenkt war. Zu gern hätte er ihr die Entscheidung abgenommen – und damit natürlich auch seine eigenen Sorgen eliminiert. Er wollte sich einfach kein Leben vorstellen ohne ihre Gegenwart, ohne all das, was er in den letzten Monaten so lieb gewonnen hatte. Und es war doch auch einfach nicht fair, schon jetzt! Wo er sich noch nicht einmal richtig daran gewöhnt hatte, sie auch in seiner Freizeit um sich zu haben. Denn in manchen Momenten konnte er sein Glück immer noch nicht fassen.
    Manchmal wachte er in der Nacht davon auf, dass ihn ihre wuscheligen dunklen Haare im Gesicht kitzelten, weil sie sich so eng an ihn kuschelte. Vielleicht würde das sogar irgendwann anfangen zu nerven. Vielleicht würde sie auch in ein paar Monaten nicht mehr ganz so viel Lust auf engsten Körperkontakt haben. Aber er wollte einfach noch die Chance haben, das herauszufinden! Jetzt, an diesem Punkt, wo er nachts lächelnd seine Nase in ihrem duftenden Haar vergrub, es dann glatt strich und selig wieder einschlummerte, fühlte sich die Vorstellung, dass all das wohl schon bald ein Ende haben würde,

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