Donaugrund (German Edition)
antwortete ich in meiner gewohnt enthusiastischen Art. »Und falls du’s vergessen hast: Ich mache nicht aus Begeisterung Sport, sondern aus purer Notwendigkeit.«
»Pff«, machte sie nur und fuhr schwungvoll los. Aus den Lautsprechern dröhnten – wohl zur Einstimmung – lateinamerikanische Rhythmen, während wir uns durch den samstäglichen Shoppingverkehr quälten.
Unweigerlich kehrten meine Gedanken wieder zurück zu Beate Wahlner und damit auch zu Sascha Hoyer. Raphael beharrte darauf, dass sich kein Mann damit abfinden würde, seine angeblich große Liebe in trauter, wenn auch nur vorgetäuschter Familienidylle mit dem Nebenbuhler zu wissen. Aber Raphael hatte, auch wenn ich das früher nicht geglaubt hätte, doch sehr strikte Vorstellungen von Beziehungen. Früher hatte ich ihn für einen oberflächlichen Aufreißer gehalten, aber mit dieser Einschätzung hatte ich mich gründlich getäuscht. Mit Haut und Haar hatte er sich auf unsere Beziehung eingelassen, und das Gleiche forderte er auch von mir. Was mir, nach Jahren des Singledaseins, immer noch ein bisschen schwerfiel. Allerdings –
»Willst du mich denn gar nicht wegen München um Rat fragen?«, platzte Nicole mit beleidigtem Unterton heraus und sah die rote Ampel, an der wir standen, vorwurfsvoll an.
Hätte ich mir ja denken können, dass Hannes seine Klappe nicht gehalten hatte. »Doch, das hätte ich schon noch. Aber …« Ich seufzte. »Ich bin selbst so unentschlossen. Und vollkommen unmotiviert, überhaupt richtig darüber nachzudenken. Ich habe das Gefühl, je mehr Leute Bescheid wissen, umso widersprüchlicher sind die Meinungen. Dabei habe ich ohnehin keine Ahnung, was ich tun soll.«
Mit etwas milderem Gesichtsausdruck nickte Nicole und trat aufs Gas, als die Ampel endlich umschaltete. »Verstehe ich. Wie sehr interessiert dich dieser Job eigentlich wirklich im Vergleich zu deinem jetzigen?«
Das hatte immerhin noch niemand gefragt. Noch nicht mal ich mich selbst. Unschlüssig zuckte ich die Achseln. »Die Stellenbeschreibung klingt schon gut. Aber es wäre halt ein reiner Bürojob, ich würde die Leute an der Front nur noch koordinieren.«
Nicole warf mir einen skeptischen Seitenblick zu.
»Ich weiß auch nicht, ob das was für mich ist«, stimmte ich zu. »Ich meine, manchmal habe ich schon das Gefühl, dass mir diese ganzen verkorksten Leute, mit denen ich ständig reden muss, zu viel werden. Aber meistens macht es mir Spaß, trotz aller Tragik. Nur: Wie lange noch?«
»Das weiß man doch nie, Sarah. Du kannst doch keinen Job annehmen, von dem du nicht weißt, ob er dir gefällt, nur weil du Angst hast, dass du in zehn Jahren keinen Bock mehr auf deinen jetzigen Job hast!«
»Natürlich nicht«, gab ich ihr zerknirscht recht. »Aber es wäre eben auch ein richtig gutes Karrieresprungbrett.«
»Ich wusste gar nicht, dass du Polizeipräsidentin werden willst«, antwortete sie augenzwinkernd. »Im Ernst, Sarah. Bis jetzt hatte ich das Gefühl, dass dir dein Job zwar wichtig ist und du auch weiterkommen willst, aber ich hatte nie den Eindruck, dass du Ambitionen hast, der Oberboss zu werden und allen zu zeigen, was eine Harke ist.«
»Aber«, wandte ich ein, »darf man das überhaupt ablehnen, wenn einem die Chance darauf angeboten wird? Ich meine, wie viele Frauen in meinem Alter bekommen in einer Männerdomäne schon so eine Möglichkeit?«
»Aha«, sagte Nicole und steuerte den Wagen rasant auf den Parkplatz des Fitnessstudios. »Daher weht der Wind. Du fürchtest um die weibliche Emanzipation insgesamt und um deine ganz besonders, wenn du dein berufliches Vorwärtskommen nicht über alles andere stellst. Richtig?«
Damit hatte sie gar nicht so unrecht, auch wenn das natürlich nicht der einzige Punkt war. Also neigte ich abwägend den Kopf, stieg aus und verfluchte das LKA wieder einmal dafür, ausgerechnet mich so in die Bredouille zu bringen.
»Und dafür«, fuhr sie fort, während sie neben mir zum Eingang trabte, »überlegst du ernsthaft, einen Job aufzugeben, den du magst. Deine Wohnung, in der du dich rundum wohlfühlst. Deine Heimatstadt, an der dein Herz hängt, in der deine Familie lebt, deine Freunde und der Mann, den du liebst.« Die letzten Worte hatte sie mit Nachdruck gesprochen. »Und das ist das Hauptproblem, oder?«
Wir eilten an der schwitzenden Horde vorbei, die verbissen die Crosstrainer, Ergometer, Laufbänder und sonstigen Foltergeräte malträtierte. Nicole erhob die Stimme, um gegen die
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