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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Silberhorn
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auf seiner Nase zitterte. »Aber wenn Sie mich fragen, hat diese Datei nie existiert.«
    Nach einem leisen Klopfen öffnete sich die Tür, und Moritz, den wir wie üblich vor Wahlners Geschäftsunterlagen geparkt hatten, steckte sein Gesicht ins Zimmer. »Kommt ihr bitte? Ist dringend.«
    Alarmiert nickte ich. Wurde ja auch Zeit, dass unser Newbie endlich einen brisanten Fund zu verzeichnen hatte.
    Raphael verabschiedete sich eilig von Hoyer und verließ das Büro.
    »Sie glauben, dass Frau Kleingrün lügt?«, fragte ich Hoyer und erhob mich halb aus dem Stuhl. »Halten Sie die Kleingrün für eine Betrügerin?«
    »Nun ja«, antwortete Hoyer gedehnt. »Ich glaube, sie würde viel tun, wenn es nur einen Vorteil für sie bringt. Oder was glauben Sie, weshalb sie mit Jan ins Bett gestiegen ist?«
    »Vielleicht fand sie ihn ja ganz gut«, antwortete ich leichthin. »Frau Wahlner hatte ja vor einiger Zeit auch Gefallen an ihm gefunden, obwohl er der Chef war. Oder?«
    Hoyer lief rot an. Was für mich natürlich die Theorie bestätigte, dass sein lapidares »Wir waren alle Freunde und eine große glückliche Familie« so doch nicht ganz richtig war.
    Leider blieb nun wirklich keine Zeit mehr, das Gespräch zu vertiefen – Raphael hatte sich leise mit Moritz ausgetauscht und warf mir durch die geöffnete Tür einen ungeduldigen Blick zu. Eilig dankte ich Hoyer für seine Kooperation und trat hinaus auf den Flur.
    »Herbert hat Moritz angerufen. Es hat sich jemand auf den Zeugenaufruf gemeldet.«
    Dieser »Jemand«, das erzählte mir Raphael, als wir durch den Schnee über den Neupfarrplatz stapften, hatte sich leider weder freiwillig noch in persona gemeldet.
    Die Anruferin, eine junge Frau namens Jenny Schauer, hatte angegeben, dass ihr Freund Dennis Wunderlich in besagter Nacht Zeuge eines Streits auf der Steinernen Brücke geworden war. »Das hat er schon in der Nacht damals erwähnt, dass sich da zwei auf der Brücke fast gekloppt haben«, erklärte Raphael. »Das Mädchen hat dann vorgestern die Zeitung gekauft, um die Stellenanzeigen zu durchforsten, und ist dabei auf den Zeugenaufruf gestoßen. Sie konnte sich gleich erinnern und hat diesen Wunderlich nochmals darauf angesprochen. Aber er hat gesagt, er hat bestimmt keinen Bock, die Bullen anzurufen.«
    Die übliche Reaktion darauf, dass wir bei weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr über den Freund-und-Helfer-Status verfügten, der vor ein paar Jahrzehnten, dem Hörensagen nach, noch Standard gewesen war.
    »Aber«, fuhr Raphael fort, »zum Glück hat diese Jenny hinter seinem Rücken angerufen. Und Herbert hat den jungen Mann dann natürlich überprüft. Angesichts seines Vorstrafenregisters wundert es mich nicht, dass er keinen Bock hat, sich bei uns zu melden.«
    »Oho«, antwortete ich bloß. Das klang interessant.
    »Genau«, antwortete Raphael und griff nach meiner Hand, als wir nach rechts in die Tändlergasse mit ihren kleinen Kramläden und vollgestopften Schaufenstern einbogen.
    Es hatte wieder angefangen zu schneien, und meine Hände hatten sich trotz der Handschuhe wieder einmal in Eiszapfen verwandelt. Trotzdem fühlte ich mich, wie immer im Dienst, nicht besonders wohl mit dieser körperlichen Nähe, auch wenn es dafür keinen rationalen Grund gab: Die Kollegen wussten ohnehin allesamt Bescheid, und den anderen Leuten konnte es schließlich egal sein, welches Verhältnis wir persönlich zueinander pflegten. Dennoch fühlte ich mich auf seltsame Weise bloßgestellt, sobald während der Dienstzeit öffentlich sichtbar wurde, dass ich nicht nur Kripobeamtin, sondern auch ein Mensch mit Privatleben war. Andererseits wollte ich Raphael, der das alles weitaus lockerer sah, nicht kränken.
    Der Widerstreit meiner Gefühle hatte sich anscheinend wie immer auf meinem Gesicht abgezeichnet. Raphael ließ meine Hand los und sah mit zusammengezogenen Augenbrauen zu mir herunter. »Sorry. Ich dachte, es wäre verständlich, dass ich dich festhalten will, solange du noch hier bist. Denn wenn erst mal die große Karriere in München ihren Lauf nimmt …«
    Warum muss er denn jetzt wieder damit anfangen? Verstehen Sie das? Wir haben mehr als genug Arbeit, zwar immerhin endlich einen Zeugen, aber dafür einen ungeduldigen Chef, der uns im Nacken sitzt – und er hat nichts Besseres zu tun, als mir ständig auch noch ein schlechtes Gewissen zu machen, verdammt noch mal! Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit dem LKA zu befassen!
    Na, und Lust auch nicht, stimmt

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