Donaugrund (German Edition)
schon … Sie haben mich wieder mal durchschaut.
Nein, natürlich kann ich Raphael nicht verdenken, dass er das Damoklesschwert namens LKA nicht ausblenden kann. Aber hören will ich trotzdem nichts davon! (Nicht zuletzt, weil der Vorabend im Kreis meiner Freunde lediglich eine Erkenntnis gebracht hatte, nämlich die, dass die Entscheidung tatsächlich schwierig ist. Das habe ich allerdings auch schon vorher gewusst.)
»Aus welchen Gründen ist dieser Wunderlich denn vorbestraft?«, fragte ich schnell.
»Ein paar Diebstähle, Körperverletzung, Drogen – der junge Mann hatte vor ein paar Jahren noch einen grünen Daumen.«
»Gras?«
»Ja, kurioserweise auf dem Balkon seiner Eltern. Die natürlich angeblich nicht gerafft haben, dass die Pflänzchen nicht nur hübsch aussehen, sondern auch noch breit machen.«
Raphaels Blick schwenkte nach links, in das Schaufenster eines Fotografen, in dem sich die Hochzeits- und Babybauchfotos in Anzahl und Leuchtkraft gegenseitig zu übertrumpfen versuchten. »So was interessiert dich überhaupt nicht, oder?«, fragte er und deutete mit einer schnellen Bewegung auf ein besonders großes Foto eines besonders verliebt lächelnden Brautpaars.
»Im Augenblick nicht, um ehrlich zu sein«, antwortete ich kühl.
Himmel, wir haben hier einen Mord aufzuklären! Erwartet er wirklich, dass ich verzückt vor dem Schaufenster stehen bleibe und davon träume, wie wir uns in Anzug und Schleier inmitten blühender Frühlingsblümchen ewige Liebe und Treue schwören?
Diese Illusionen bewahre ich mir für die Momente auf, in denen ich nichts Besseres zu tun habe. Und dann erfahren, wie Sie ja sicher wissen, auch nur Sie davon.
Wie, Sie meinen, es wäre aber mal an der Zeit für ein liebes Wort, wo er doch so offensichtlich leidet? Pah. Der leidet nicht. Der will einfach nur, dass alles nach seinem Kopf geht, vor allem, wo ich doch so leicht formbar bin …
Aber da hat er sich geschnitten.
»Seit zwei Jahren hat er sich aber nichts mehr zuschulden kommen lassen. Oder wenigstens nichts, was aufgeflogen wäre.« Raphaels beiläufiger Tonfall lenkte mich nicht von seinem grimmigen Gesicht ab.
»Was hältst du von der Sache mit Celia Kleingrün?«, fragte ich ebenso beiläufig. »Die angebliche Sabotage?«
Er zuckte die Achseln und warf einen begehrlichen Blick auf die Fassade des Baumburger Turms. Der »Dampfnudel-Uli«, das Traditionslokal im Erdgeschoss, stand seit Wochen auf Raphaels Liste der zu besuchenden Regensburger Sehenswürdigkeiten, nachdem er auf dem Christkindlmarkt seine Begeisterung für Dampfnudeln, rücksichtslos ertränkt unter einer Flut Vanillesoße, entdeckt hatte.
»Ruhetag«, zerstörte ich grausam jegliche Hoffnung. »Also?«
»Keine Ahnung«, antwortete er und riss den Blick mühsam von der hellroten Fassade des schmucken Patrizierturms los, »aber auf mich hat sie eigentlich einen recht aufrichtigen Eindruck gemacht. Falls sie nicht lügt, klingt das eindeutig nach Mobbing.«
»Ob es jemanden gibt, der die beiden loswerden wollte? Celia und Wahlner?« Dieser Gedanke war mir gerade erst gekommen, aber bei genauerer Überlegung fand ich die Vorstellung gar nicht so abwegig.
»Und du meinst«, antwortete Raphael und zog sich die Kapuze über den Kopf, »dass er dafür so unterschiedliche Methoden wählt? Einmal Mord, einmal Mobbing?«
Ich zuckte unentschlossen die Achseln, schließlich war ich mir selbst nicht sicher. Andererseits hatte ich gerade erstmalig dieses unbestimmte Kribbeln im Bauch, das sich meistens einstellte, wenn mir plötzlich ein Gedanke kam, den ich nicht ignorieren sollte. »Vielleicht war der Tod von Wahlner ja wirklich nicht geplant, sondern ist aus dem Affekt heraus passiert. Jetzt bereut der Täter das also und bemüht sich darum, Celia auf subtilere – und vor allem weniger lebensfeindliche – Art und Weise loszuwerden.«
»Mobbing ist hinterlistig, der Mord an Wahlner hingegen war ein offensiver Angriff.« Er zuckte die Achseln. »Ich bin da skeptisch, das passt nicht zusammen.«
Wahrscheinlich sagte er das jetzt nur, um mir nicht recht geben zu müssen.
»Aber wenn du meinst, können wir uns Celia ja noch einmal vornehmen«, fügte er versöhnlich hinzu. »Nachdem wir den polizeischeuen Kleinkriminellen interviewt haben.«
Dennis Wunderlich wohnte in Stadtamhofs Hauptstraße, der Verlängerung der Steinernen Brücke, direkt über einer Kneipe, die zwar geöffnet war, doch das Licht darin funzelte äußerst schummrig. Durch das
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