Donaugrund (German Edition)
ohnehin nichts mehr. »Ich bin Marketingassistentin, Sascha! Ich sollte eigentlich Marketingkonzepte ausarbeiten oder wenigstens bei der Ausarbeitung unterstützen, so wie ich das für Jan gemacht habe! Aber Leo lässt mich den ganzen Tag nur irgendwelche Zahlenkolonnen verarbeiten, obwohl er weiß, dass mir das überhaupt nicht liegt!« Sie war laut geworden, aber jetzt konnte und wollte sie nicht mehr zurückrudern.
Zu ihrem Erstaunen sah Sascha ihr jetzt erstmalig in diesem Gespräch wirklich in die Augen. »Willst du jetzt Leo schlechtmachen?«, fragte er und versuchte, süffisant zu klingen. Mit leiser Verachtung stellte Celia fest, dass ihm dafür die natürliche Arroganz fehlte. Und der Biss, den Jan gehabt hatte. »Hat er vielleicht auch die Datei gelöscht?«, fuhr Sascha fort.
»Das weiß ich nicht.« Celia war plötzlich ruhig. Der Befreiungsschlag hatte ihr gutgetan. »Aber er will mich loswerden, das steht fest. Und anscheinend«, sagte sie und deutete vage auf Saschas Schreibtischschublade, »hat er damit ja auch Erfolg.«
Sascha wedelte mit der Hand, als wären ihm all diese Querelen so lästig wie Schmeißfliegen. »Na gut …« Er faltete die Hand vor der Nase. »Ich will nicht unfair sein. Und ich will mir auch nicht nachsagen lassen, dass ich unfair bin. Du kriegst noch eine Chance, dich zu beweisen – mit einer Aufgabe, die eindeutig in dein Ressort fällt. Bring mir heute um sechs Uhr abends die Texte für die Webseite persönlich vorbei – nicht, dass sie wieder aus irgendeinem Fach verschwinden –, dann gebe ich dir Bescheid, welches Projekt wir dir übertragen.«
Celia nahm dumpf zur Kenntnis, dass er soeben auf die sofortige Kündigung verzichtet hatte. Sie sah ihn an und wartete auf das Gefühl der Erleichterung, erkannte aber im selben Moment, dass der Kampf einfach weitergehen würde. Und sie Kraft brauchte, für alles, was jetzt noch kommen sollte.
Das Hochgefühl, das sie nach ihrem kurzen Ausbruch noch verspürt hatte, war verflogen.
* * *
Vor unserer nächsten Audienz bei Sascha Hoyer blieb noch Zeit, uns in der HEUREKA -Küche einen weiteren dieser unglaublich leckeren Milchkaffees zuzubereiten. Mit dampfenden Tassen ließen wir uns an dem sonst so schmählich vernachlässigten Esstisch nieder. Moritz starrte mit tranigen Augen vor sich hin – wahrscheinlich war das Wochenende wieder anstrengend gewesen –, Raphael wibbelte nervös mit den Füßen – klar, der Zigarettenentzug war beim Kaffeetrinken besonders grauenvoll –, und ich musterte beide strafend, was leider wie üblich ignoriert wurde.
In unser einträchtiges frühmorgendliches Schweigen platzte André König. Auch ohne das Foto auf der Mitarbeiterliste hätte ich ihn erkannt, seit die Flüstertüte vom Empfang uns von seiner unerwiderten Liebe zu Celia Kleingrün erzählt hatte. Schließlich war er es gewesen, der Celia bei der großen Verkündigung von Wahlners Tod so fürsorglich getröstet hatte.
Einen Augenblick überlegte ich, ob wir ihn gleich in ein Gespräch verwickeln sollten, schließlich war er einer der noch nicht abgearbeiteten Punkte auf unserer To-do-Liste, und zudem konnte so ein kleiner Plausch am Rande oftmals ergiebiger sein als ein ausführliches Gespräch. Andererseits kam sein »Morgen« reichlich knapp über die Lippen, er war blass und hatte die Stirn sorgenvoll gefurcht. Raphael sah mich verwundert an. Es war offensichtlich, dass für André König der Morgen ganz und gar nicht gut war.
»Guten Morgen«, erwiderte ich mit einem aufmunternden Lächeln, aber König stand schon am Kaffeeautomaten und stellte mit fahrigen Bewegungen eine Tasse unter. Als die Maschine lautstark zu tosen anfing, wackelte auch er ungeduldig mit der Ferse seines rechten Fußes auf und ab. Noch einer von der Sorte. Wahrscheinlich gewöhnte er sich auch gerade das Rauchen ab. Und sicher interessierte er sich ebenfalls nicht für meinen vorwurfsvollen Blick.
Er zuckte zusammen, als Celia Kleingrün mit klackernden Absätzen in die Küche stürmte, und drehte sich sofort um. »Celi, endlich! Was –«
Celia Kleingrün sah sich wie gehetzt um, erkannte uns, stufte uns anscheinend als harmlos ein und nickte André König mit einem vorsichtigen Lächeln zu. »Alles okay. Ich kann die Texte bis heute Abend nachreichen, und er will mir dann ein Projekt übertragen, so als –« Sie brach ab und sah wieder vorsichtig in unsere Richtung.
André König atmete erleichtert auf, strahlte mit einem Mal übers
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