Donaugrund (German Edition)
das viel eher sein Aufgabenbereich als ihrer. Und so hatte er, wenn man ehrlich war, heute Abend das komplette Konzept ausgearbeitet. Die nötigen Screenshots würde er ihr in den nächsten Tagen noch zur Verfügung stellen, und damit blieb Celia nur noch das Schreiben. Ach, André war wirklich ein Goldschatz!
Er streckte sich und erhob sich halb von der Couch. »Also dann …«
Plötzlich ergriff Celia wieder die Panik. Sie wollte nicht allein sein und sich in Grübeleien ergehen, darüber nachdenken, wer die Patronen aus ihrem Drucker genommen und in ihren Dateien herumgefuhrwerkt hatte, nur um ihr zu schaden. Sie wollte nicht darüber nachdenken, wer sie so hasste. So hassen konnte. Und sie wollte sich nicht schlaflos und allein im Bett hin und her wälzen. »Warte«, stieß sie hervor, ohne darüber nachzudenken. »Magst du … magst du vielleicht noch ein Glas Wein?«
Er sah sie prüfend an, als könnte er kaum glauben, dass sie das jetzt wirklich vorgeschlagen hatte. Oder als überlegte er, ob mit »Glas Wein« auch wirklich nur das gemeint war: ein Glas Wein. Und wenn Celia ehrlich war, dann überlegte sie das auch selbst. Sie fühlte sich allein, jeden Abend, jede Nacht, die ganze Zeit schon, seit Jan weg war. Und sie sehnte sich nach Nähe, nach jemandem, der sie festhielt, sie beschützte, sie begehrte. André? Dass er sie begehrte, daran ließ sein Blick keinen Zweifel.
»Gern.« Er nickte verhalten. »Ein Glas Wein haben wir uns wirklich verdient.« Er sank zurück in die Polster, während sie beflissen in die Küche eilte, um eine Flasche Rotwein zu öffnen. Mit André – ginge das? Celia, komm schon. Du hast dir doch früher nicht so viele Gedanken gemacht. Lass es doch einfach auf dich zukommen.
Zehn Minuten später, nach drei Schluck Wein und zwei vorsichtigen Küssen von André, die Celia in ihrer Unschuld an ihre Kindergartenromanze erinnert hatten, konnte sie es nicht. Sie löste sich von ihm und schenkte ihm ein bedauerndes Lächeln. Der Grund war ihr zunächst selbst nicht ganz klar, doch als André verletzt aufsprang, wusste sie, weshalb: Es wäre nicht fair gewesen. Er hatte es nicht verdient, benutzt zu werden.
André sah sie verwirrt an, dann biss er fest die Zähne aufeinander, schlüpfte wortlos in seinen Anorak und schlug den Weg zur Wohnungstür ein.
Scheiße, Celi. Sofort wurde sie wieder von Panik erfasst. Was hast du jetzt bloß angestellt? Hast du jetzt alles kaputtgemacht? Und auch noch deinen letzten Freund verloren? Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als André die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, doch dann schien er sich plötzlich eines Besseren zu besinnen.
Er drehte um und kam mit eiligen Schritten und wutverzerrtem Gesicht zurück. »Hör auf«, zischte er zwischen immer noch zusammengepressten Zähnen hervor und baute sich vor ihr auf, »mit mir zu spielen, okay?« Er machte einen weiteren drohenden Schritt auf sie zu, und Celia rutschte automatisch weiter zurück, doch die Couchlehne bremste sie. Jegliche Zuneigung war mit einem Mal aus seinem Blick verschwunden. »Ich tue doch alles für dich, oder?« Jetzt schrie er sie an, seine Stimme dröhnte in ihrem Kopf. »Ich tue doch alles! Ich habe alles für dich getan! Und du?« Er beugte sich zu ihr herunter, und sie drückte sich an die Lehne und machte sich klein, während sie sich zum Atmen zwang und versuchte, das Klopfen ihres Herzens mit reiner Willenskraft zu beruhigen. Sein Schreien dröhnte in ihren Ohren. Er hatte sie noch nie zuvor angeschrien. Noch nie …
André griff nach ihren Handgelenken und drückte zu. Celia schrie leise auf – wenn auch eher vor Schock denn vor Schmerzen. »Spiel nie wieder mit mir«, zischte er. Hinter ihrer Angst flammte Erstaunen darüber auf, dass sogar André bedrohlich wirken konnte. Aber zurzeit wirkte ja ohnehin so vieles bedrohlich. So vieles.
Andrés blaue Augen hinter der Brille waren ganz nah vor ihren, funkelten sie wütend an, und sie spürte seinen Atem auf ihren Lippen. Dann drehte er sich um, rannte mit eiligen Schritten aus der Wohnung und schmetterte die Tür hinter sich zu.
Celia kauerte sich auf der Couch zusammen. Sie wusste nicht, wie lange sie so lag, mit zitternden, feuchten Händen und von Tränen brennenden Augen.
Allein.
ACHT
»Guten Morgen, Spatzl«, murmelte Raphael, stellte den Wecker ab und knipste die Nachttischlampe an.
»Guten Morgen.« Ich versuchte mühsam, die Augenlider zu öffnen. Nanu, so spät war es doch gestern Abend gar
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